Verfassungsgesetz
über die Stellung der Nationalitäten in der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik

vom 27. Oktober 1968

(Verfassungsgesetz Nr. 144/1968)

Änderungen unbekannt

gemäß dem Verfassungsgesetz des Tschechischen Nationalrates Nr. 4/1993 und dem Artikel 112 Abs. 3 der Verfassung der Tschechischen Republik sowie dem Artikel 152 Abs. 1 der Verfassung der Slowakischen Republik ist es möglich, daß dieses Verfassungsgesetz weiterhin geltendes (Verfassungs-) Recht der beiden Staaten ist.

Die Nationalversammlung der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik hat

im Hinblick darauf, daß das werktätige Volk der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik, das die Quelle aller Staatsgewalt ist, im gemeinsamen Vaterland und in untrennbarer Gemeinschaft zusammen mit der tschechischen und der slowakischen Nation auch von der madjarischen, deutschen, polnischen und ukrainischen (ruthenischen) Nationalität gebildet wird und daß sich diese Nationalitäten im Geiste der Politik der Nationalen Front schöpferisch an der Entwicklung des Landes beteiligen und dabei auch eigene Formen des nationalen Lebens entfalten, in dem Bestreben, das brüderliche Zusammenleben und die Solidarität der Nationen und Nationalitäten weiter zu vertiefen und zu festigen und den Nationalitäten Anteil an der Staatsgewalt zu sichern und ihnen wirksame Garantien für die Weiterentwicklung zu gewähren,

das folgende Verfassungsgesetz beschlossen:

Artikel 1. Die Tschechoslowakische Sozialistische Republik als der gemeinsame Staat der tschechischen und der slowakischen Nation und der auf ihrem Territorium lebenden Nationalitäten garantiert im Geiste der sozialistischen Demokratie und des Internationalismus der madjarischen, deutschen, polnischen und ukrainischen (ruthenischen) Nationalität die Möglichkeiten und Mittel für eine allseitige Entfaltung.

Artikel 2. Die Nationalitäten sind entsprechend ihrer zahlenmäßigen Stärke in den Vertretungskörperschaften und in anderen gewählten Organen vertreten.

Artikel 3. (1) Den Bürgern madjarischer, deutscher, polnischer und ukrainischer (ruthenischer) Nationalität wird in einem den Interessen ihrer nationalen Entfaltung entsprechenden Umfang und unter gesetzlich festgelegten Bedingungen garantiert
a) das Recht auf Bildung in ihrer Sprache,
b) das Recht auf eine umfassende kulturelle Entfaltung,
c) das Recht, im amtlichen Verkehr in den von der betreffenden Nationalität bewohnten Gebieten ihre Sprache zu gebrauchen,
d) das Recht auf Presse und Information in ihrer Sprache.

(2) Umfang und Bedingungen der in Abs. 1 genannten Rechte werden durch Gesetz festgelegt.

Artikel 4. (1) Der Bürger entscheidet frei nach seiner eigenen Überzeugung über seine Nationalität.

(2) Die Zugehörigkeit zu einer Nationalität kann keinem Bürger bei seiner Betätigung im politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben zum Nachteil gereichen.

(3) Alle Formen eines auf Entnationalisierung abzielenden Drucks sind verboten.

Artikel 5. (1) Dieses Verfassungsgesetz wird durch Gesetze der Bundesversammlung und Gesetze der Nationalräte ausgeführt.

(2) Durch Gesetze der Nationalräte wird auch bestimmt, bei welchen Vertretungskörperschaften und Vollzugsorganen Organe zur Sicherung der Rechte der Nationalitäten errichtet werden.

Artikel 6. Die Bestimmungen des Artikels 25 der Verfassung (Verfassungsgesetz Nr. 100/1960 Sb.) werden aufgehoben.

Artikel 7. Dieses Verfassungsgesetz tritt am 1. Januar 1969 in Kraft.

Das Verfassungsgesetz hat erstmalig nach 1945 auch die deutsche Nationalität als Minderheit in der Tschechoslowakei anerkannt.


Quelle: Brunner/Meissner, Verfassungen der kommunistischen Staaten, UTB Schöningh 1979
Die Verfassungsgrundlagen der Tschechoslowakischen Föderation, Orbis Prag 1978
© 1. Februar 2003
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