Verfassungsurkunde der tschechoslowakischen Republik

vom 29. Februar 1920

(Sammlung der Gesetze Nr. 121/1920)

geändert durch
Verfassungsgesetz Nr. 299/1938 (Autonomie der Slowakei)
Verfassungsgesetz Nr. 328/1938 (Autonomie von Karpatho-Rußland)
Verfassungsdekrete der Exilregierung Benes in London (1938/39-1945)
Verfassungsdekret des Präsidenten der Republik vom 21. Juli 1940 (ABl. London Nr. 1/1940) über die Konstituierung eines Staatsrates als beratender Körperschaft der vorläufigen staatlichen Ordnung der Tschechoslowakischen Republik
Verfassungsdekret des Präsidenten der Republik vom 24. November 1941 (ABl. London Nr. 12/1942) über die Abänderung und Ergänzung des Verfassungsdekretes Nr. 1/1940
Verfassungsdekret des Präsidenten der Republik vom 3. August 1944 (Abl. London 10/1944, auch Slg. Beilage 1947 S.26) über die vorläufige Verwaltung des befreiten Gebietes der Tschechoslowakischen Republik
Verfassungsdekret des Präsidenten der Republik vom 14. November 1944 über die Erneuerung der Rechtsordnung der Tschechoslowakischen Republik (ABl. London Nr. 11/1944)
Verfassungsdekret des Präsidenten der Republik vom 4. Dezember 1944 (Abl. London Nr. 18/1944, auch Slg. 43/1945) über die Nationalausschüsse und die vorläufige Nationalversammlung
Verfassungsdekrete des Präsidenten Benes (1945/46)
Verfassungsdekret des Präsidenten der Republik vom 27. Juni 1945 (Dekret Nr. 22/1945) über die Verkündung der außerhalb des Gebietes der Tschechoslowakischen Republik erlassenen Rechtsvorschriften
Verfassungsdekret des Präsidenten der Republik vom 2. August 1945 (Dekret Nr. 33/1945) über die Regelung der tschechoslowakischen Staatsangehörigkeit der Personen deutscher und magyarischer Volkszugehörigkeit
Verfassungsdekret des Präsidenten der Republik vom 3. August 1945 (Dekret Nr. 31/1945)
Verfassungsdekret des Präsidenten der Republik vom 24. August 1945 (Dekret Nr. 60) über die Vorbereitung der Durchführung des Vertrages zwischen der Tschechoslowakischen Republik und der UdSSR über die Karpatho-Ukraine
Verfassungsdekret des Präsidenten der Republik vom 25. August 1945 (Dekret Nr. 47/1945) über die vorläufige Nationalversammlung
Gesetz vom 2. Oktober 1945 (Gesetz Nr. 195/1945)
Verfassungsgesetz vom 22. November 1945 (Gesetz Nr. 2/1946) über die Regelung der Staatsgrenzen mit der UdSSR
Verfassungsgesetz vom 19. Dezember 1945 (Gesetz Nr. 12/1946) über die Erneuerung der Rechtsordnung der Tschechoslowakischen Republik
Verfassungsgesetz vom 11. April 1946 (Gesetz Nr. 65/1946) über die verfassunggebende Nationalversammlung

außer Kraft gesetzt durch § 173 der Verfassung vom 9. Mai 1948

Einleitung

Wir, das tschechoslowakische Volk, haben, von dem Wunsch beseelt, die vollständige Einheit des Volkes zu befestigen, gerechte Normen in der Republik einzuführen, die ruhige Entwicklung der tschechoslowakischen Heimat sicherzustellen, dem allgemeinen Wohle aller Bürger dieses Staates zu nützen und die Segnungen der Freiheit künftigen Generationen zu sichern, in unserer Nationalversammlung am 29. Feber 1920 die Verfassung für die Tschechoslowakische Republik angenommen, deren Wortlaut folgt.

Hiebe erklären wir, das tschechoslowakische Volk, daß wir uns bestreben wollen, diese Verfassung und alle Gesetze unseres Landes sowohl im Geiste unserer Geschichte, als auch im Geiste der modernen, in der Losung Selbstbestimmung enthaltenen Grundsätze durchzuführen; denn wir wollen uns in den Völkerbund als ein gebildetes, friedliebendes, demokratisches und fortschrittliches Mitglied eingliedern.

Erstes Hauptstück.
Allgemeine Bestimmungen

§ 1. (1) Das Volk ist die einzige Quelle aller Staatsgewalt in der tschechoslowakische Republik.

(2) Die Verfassungsurkunde bestimmt, durch welche Organe sich das souveräne Volk Gesetze gibt, sie durchführt und Recht findet. Sie steckt auch die Grenzen ab, die diese Organe nicht überschreiten dürfen, damit die durch die Verfassung verbürgten bürgerlichen Freiheiten nicht verletzt werden.

§ 2. Der tschechoslowakische Staat ist eine demokratische Republik, deren Haupt der gewählte Präsident ist.

§ 3. (1) Das Gebiet der tschechoslowakischen Republik bildet ein einheitliches und unteilbares Ganzes, dessen Grenzen nur durch ein Verfassungsgesetz abgeändert werden können (Art. I des Einführungsgesetzes).

(2) Ein unteilbarer Bestandteil dieses Ganzen ist und zwar auf Grund des freiwilligen Anschlusses nach dem Vertrage zwischen den Groß- und verbündeten Mächten in Saint Germain-en-Laye vom 10. September 1919 das autonome Gebiet von Karpatho-Rußland, das mit der weitesten, mit der Einheitlichkeit der tschechoslowakischen Republik vereinbarlichen Autonomie ausgestattet sein wird.

(3) Karpatho-Rußland hat seinen eigenen Landtag, der sich das Präsidium wählt.

(4) Der karpathorussische Landtag ist zur Beschlußfassung über Gesetze in Angelegenheiten der Sprache, des Unterrichtes, der Religion, der örtlichen Verwaltung, sowie auch in anderen Angelegenheiten zuständig, die ihm durch die Gesetze der tschechoslowakischen Republik etwa übertragen werden. Die durch den karpathorussischen Landtag beschlossenen Gesetze werden, falls der Präsident der Republik durch seine Unterschrift seine Zustimmung kundgibt, in einer besonderen Sammlung kundgemacht und auch vom Gouverneur unterschrieben.

(5) Karpatho-Rußland ist in der Nationalversammlung der tschechoslowakischen Republik durch eine angemessene Anzahl von Abgeordneten (Senatoren) nach den betreffenden tschechoslowakischen Wahlordnungen zu vertreten.

(6) An der Spitze Karpatho-Rußlands steht der vom Präsidenten der tschechoslowakischen Republik über Antrag der Regierung ernannte und auch dem karpatho-russischen Landtage verantwortliche Gouverneur.

(7) Die Funktionäre Karpatho-Rußlands werden nach Tunlichkeit aus dessen Bevölkerung entnommen.

(8) Die Einzelheiten, insbesondere über das Wahlrecht und über die Wählbarkeit in den Landtag, regeln besondere Bestimmungen.

(9) Das Gesetz der Nationalversammlung, das die Grenzen Karpatho-Rußlands festsetzt, bilden einen Bestandteil der Verfassungsurkunde.

ein Gesetz über die Autonomie Karpatho-Rußlands (Karpathoukraine) ist erst 1938 ergangen; das Gebiet wurde 1947 von der Tschechoslowakei der Ukraine (UdSSR) abgetreten.

zu Abs. 3: siehe den Vertrag zwischen den alliierten und assoziierten Hauptmächten und der Tschechoslowakei unterzeichnet zu Saint Germain-en-Laye am 10. September 1919 ("Minderheitenschutzvertrag"), kundgemacht sub Nr. 509 der Sammlung der Gesetze und Verordnungen aus dem Jahr 1921.

§ 4. (1) Die Staatsbürgerschaft in der tschechoslowakischen Republik ist einzig und einheitlich.

(2) Die Bedingungen der Erlangung, der Wirkungen und des Erlöschens der Staatsbürgerschaft der tschechoslowakischen Republik bestimmt das Gesetz.

(3) Der Angehörige eines fremden Staates kann nicht gleichzeitig Angehöriger der tschechoslowakischen Republik sein.

hierzu das Verfassungsgesetz Nr. 236 vom 9. April 1920 (Staatsbürgerschaftsgesetz) und Gesetz Nr. 152 vom 1. Juli 1926; das Gesetz Nr. 447 vom 23. Juli 1919 (Gesetz über das Alter der Großjährigkeit)

§ 5. (1) Die Hauptstadt der tschechoslowakischen Republik ist Prag.

(2) Die Farben der Republik sind weiß, rot und blau.

(3) Das Staatswappen und die Flaggen werden vom Gesetze geregelt.

Zweites Hauptstück.
Gesetzgebende Gewalt. Zusammensetzung und Wirksamkeit der Nationalversammlung und ihrer beiden Kammern.

§ 6. (1) Die gesetzgebende Gewalt für das ganze Gebiet der tschechoslowakischen Republik übt die Nationalversammlung aus, die aus zwei Kammern besteht: aus dem Abgeordnetenhause und dem Senate.

(2) Der Sitz beider Kammern ist Prag. Falls unbedingt nötig, können sie vorübergehend auch nach einem anderen Orte der tschechoslowakischen Republik einberufen werden.

§ 7. (1) Die gesetzgebende und exekutive Tätigkeit der Landtage ist erloschen.

(2) Soferne ein von der Nationalversammlung beschlossenes Gesetz nicht etwas anderes bestimmt, gilt es für das ganze Gebiet der tschechoslowakischen Republik.

hierdurch wurden die Landtage von Böhmen, Mähren und Schlesien samt den Landesordnungen von 1861 bzw. 1905 aufgehoben.

§ 8. Das Abgeordnetenhaus hat 300 Mitglieder, die nach dem allgemeinen, gleichen, direkten, geheimen Stimmrechte und nach dem Grundsatze der Verhältnisvertretung gewählt werden. Die Wahlen finden Sonntag statt.

§ 9. Das Wahlrecht in das Abgeordnetenhaus haben alle Staatsbürger der tschechoslowakischen Republik ohne Unterschied des Geschlechtes, die das 21. Lebensjahr überschritten haben und den übrigen Bedingungen der Wahlordnung für das Abgeordnetenhaus entsprechen.

hierzu das Gesetz Nr. 123 vom 29. Februar 1920 (Wahlordnung für das Abgeordnetenhaus, geändert durch Gesetze Nr. 205/1925 und 56/1927), Gesetz Nr. 663 vom 19. Dezember 1919 (Gesetz über die ständigen Wählerverzeichnisse, geändert durch Gesetz Nr. 44/1920).

§ 10. Wählbar sind die Staatsbürger der tschechoslowakischen Republik ohne Unterschied des Geschlechtes, die wenigstens das 30. Lebensjahr erreicht haben und den übrigen Bedingungen der Wahlordnung für das Abgeordnetenhaus entsprechen.

§ 11. Die Wahlperiode des Abgeordnetenhauses dauert 6 Jahre.

verfassungsmäßige Wahlen fanden am 18. April 1920, am 15. November 1925, 1931 und am 19. Mai 1935.

§ 12. Die Einzelheiten über die Ausübung des Wahlrechtes und die Durchführung der Wahlen enthält die Wahlordnung für das Abgeordnetenhaus.

§ 13. Der Senat hat 150 Mitglieder, die nach dem allgemeinen, gleichen, direkten, geheimen Stimmrechte und nach dem Grundsatze der Verhältnisvertretung gewählt werden. Die Wahlen finden Sonntag statt.

§ 14. Das Wahlrecht in den Senat haben alle Staatsbürger der tschechoslowakischen Republik ohne Unterschied des Geschlechtes, die das 26. Lebensjahr überschritten haben und den übrigen Bedingungen des Gesetzes über die Zusammensetzung und Jurisdiktion des Senates entsprechen.

hierzu das Gesetz Nr. 124 vom 29. Februar 1920 (Senatsgesetz, geändert durch Gesetze Nr. 206/1925 und 56/1927).

§ 15. Wählbar sind die Staatsbürger der tschechoslowakischen Republik ohne Unterschied des Geschlechtes, die wenigstens das 45. Lebensjahr erreicht haben und den übrigen Bedingungen des Gesetzes über die Zusammensetzung und Jurisdiktion des Senates entsprechen.

§ 16. Die Wahlperiode des Senates dauert 8 Jahre.

§ 17. Die ausführlichen Vorschriften über die Ausübung des Wahlrechte und Durchführung der Wahlen enthält das Gesetz über die Zusammensetzung und Jurisdiktion des Senates.

§ 18. Niemand darf gleichzeitig Mitglied beider Kammern sein.

§ 19. (1) Über die Gültigkeit der Wahlen in das Abgeordnetenhaus und in den Senat entscheidet der Wahlgerichtshof.

(2) Die Einzelheiten regelt das Gesetz.

hierzu das Gesetz Nr. 125 vom 29. Februar 1920 (Wahlgericht, geändert durch Gesetz Nr., 145/1924)

§ 20. (1) Wenn ein Staatsangestellter, der in die Nationalversammlung gewählt wurde, das Gelöbnis als Mitglied abgelegt hat, wird er, solange er Mitglied der Nationalversammlung ist, beurlaubt, hat für diese Zeit den Anspruch auf seine ständigen Dienstbezüge außer der Orts- oder Funktionszulage, sowie auch Anspruch auf die Zeitvorrückung. Hochschulprofessoren haben Anspruch auf Urlaub. Falls sie von diesem Rechte Gebrauch machen, so gilt von ihnen dasselbe, was von den übrigen Staatsbediensteten.

(2) Andere öffentliche Bedienstete haben, solange sie Mitglieder der Nationalversammlung sind, Anspruch auf Urlaub.

(3) Die Mitglieder der Nationalversammlung können erst ein Jahr später, nachdem sie aufgehört haben, Mitglieder der Nationalversammlung zu sein, als besoldete Staatsbedienstete angestellt werden.

(4) Diese Bestimmung bezieht sich auf Minister. Die im vorigen Absatze erwählte zeitliche Beschränkung eines Jahres bezieht sich nicht auf Abgeordnete (Senatoren), die Staatsbedienstete waren, bevor sie in die Nationalversammlung gewählt wurden, soferne sie in demselben Dienstzweige verbleiben.

(5) Gau- und Bezirksvorsteher können nicht Mitglieder der Nationalversammlung werden.

(6) Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes, die Beisitzer des Wahlgerichtshofes und jene, welche Mitglieder der Gauvertretungen sind, können nicht gleichzeitig Mitglieder der Nationalversammlung sein.

§ 21. Die Mitglieder beider Kammern können jederzeit auf ihr Mandat verzichten.

§ 22. (1) Die Mitglieder der Nationalversammlung üben ihr Mandat persönlich aus; sie dürfen von niemandem Weisungen entgegennehmen.

(2) Sie dürfen sich nicht an die öffentlichen Ämter zur Unterstützung der persönlichen Interessen der Parteien wenden. Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf Mitglieder der Nationalversammlung, sofern ein solches Einschreiten beim Amte bloß zur Ausübung ihres regelmäßigen Berufes gehört.

(3) In der ersten Sitzung der Kammer, an der sie teilnehmen, legen sie folgendes Gelöbnis ab: "Ich gelobe, daß ich der tschechoslowakischen Republik treu sein werden und daß ich die Gesetze beobachten werde und mein Mandat nach meinem besten Wissen und Gewissen ausüben werde." Die Verweigerung des Gelöbnisses oder ein Gelöbnis mit Vorbehalt hat ohne weiteres den Verlust des Mandats zur Folge.

hierzu das Gesetz Nr. 144 vom 18. Juni 1924 (Gelegenheitsgesetz).

§ 23. Die Mitglieder der Nationalversammlung können wegen ihrer Abstimmung in der Kammer oder in den Kammerausschüssen überhaupt nicht verfolgt werden. Für die dort bei der Ausübung des Mandates getanen Aussprüche unterliegen sie nur der Disziplinargewalt ihrer Kammer.

§ 24. (1) Zur jeglichen strafrechtlichen oder disziplinären Verfolgung eines Mitgliedes der Nationalversammlung für andere Handlungen oder Unterlassungen ist die Zustimmung der betreffenden Kammer erforderlich. Falls die Kammer die Zustimmung verweigert, ist eine Verfolgung für immer ausgeschlossen.

(2) Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit, die ein Mitglied der Nationalversammlung als verantwortlicher Redakteur hat.

§ 25. Falls ein Mitglied einer Kammer bei einer strafbaren Handlung selbst betreten und verhaftet wurde, ist das Gericht oder eine andere zuständige Behörde verpflichtet, sofort die Verhaftung dem Vorsitzenden der betreffenden Kammer anzuzeigen. Falls die Kammer oder - wenn die Nationalversammlung nicht tagt - der nach § 54 gewählte Ausschuß nicht binnen 14 Tagen vom Tage der Verhaftung die Zustimmung zur weiteren Haft kundgibt, hört die Haft auf. Wenn dieser Ausschuß der weiteren Haft zustimmt, entscheidet hierüber die Kammer binnen 14 Tagen vom Tage ihres Zusammentrittes.

§ 26. Die Mitglieder beider Kammern haben das Recht, die Zeugenschaft über Angelegenheiten, welche ihnen als Mitgliedern der Kammer anvertraut wurden, zu verweigern, und zwar auch, wenn sie aufgehört haben, ihr Mitglied zu sein. Ausgenommen sind jene Fälle, wo es sich um die Verleitung eines Mitgliedes der Kammer zum Mißbrauche des Mandates handelt.

§ 27. Die Mitglieder beider Kammern haben Anspruch auf eine Entschädigung, deren Höhe das Gesetz bestimmt.

§ 28. (1) Der Präsident der Republik ist verpflichtet, beide Kammern zu zwei ordentlichen Tagungen im Jahre einzuberufen: zur Frühjahrs- und zur Herbsttagung. Die Frühjahrstagung muß im März, die Herbsttagung im Oktober beginnen.

(2) Außerdem beruft er die Kammern je nach Bedarf zu außerordentlichen Tagungen ein. Wenn dies wenigstens die Mehrheit der Mitglieder des Abgeordnetenhauses oder des Senates beim Vorsitzenden der Regierung unter Angabe des Verhandlungsgegenstandes verlangt, ist der Präsident verpflichtet, die Kammern so einzuberufen, daß sie binnen 14 Tagen vom Tage des überreichten Gesuches zusammentreten; falls er dies nicht tun sollte, treten die Kammern gleichzeitig binnen weiteren 14 Tagen über Aufforderung ihrer Vorsitzenden zusammen.

(3) Wenn seit der letzten ordentlichen Tagung wenigstens 4 Monate verflossen sind, ist der Präsident der Republik verpflichtet, wenn es von wenigstens zwei Fünfteln einer Kammer (Absatz 2) verlangt wird, die Kammern so einzuberufen, daß sie binnen 14 Tagen vom Tage der Überreichung des Gesuches zusammentreten. Sollte er dies nicht tun, so treten die Kammern binnen weiteren 14 Tagen über Aufforderung ihrer Vorsitzenden gleichzeitig zusammen.

§ 29. Die Tagung beider Kammern beginnt und endet stets gleichzeitig.

§ 30. (1) Der Präsident der Republik erklärt die Tagung der Kammern für geschlossen.

(2) Er kann sie längstens auf einen Monat und höchstens einmal im Jahre vertagen.

§ 31. (1) Der Präsident der Republik hat das Recht, die Kammern aufzulösen.

(2) Dieses Recht darf er nicht in den letzten sechs Monaten seiner Wahlperiode ausüben. Nach Ablauf einer Wahlperiode, sowie auch nach Auflösung einer Kammer sind binnen 60 Tagen die Neuwahlen durchzuführen.

(3) Die Auflösung des Senates hemmt nicht das vor dem Senate nach den §§ 67 und 79 eingeleitete Strafverfahren.

§ 32. Jede Kammer ist - soferne in diesem Gesetze nicht etwas anderes bestimmt ist - in Anwesenheit wenigstens eines Drittels aller Mitglieder beschlußfähig. Zur Gültigkeit eines Beschlusses ist die Mehrheit der Anwesenden erforderlich.

§ 33. Zur Beschlußfassung über die Kriegserklärung zur Abänderung dieser Verfassungsurkunde und ihrer Bestandteile ist die Dreifünftelmehrheit aller Mitglieder in jeder Kammer erforderlich.

§ 34. (1) Die Beschlußfassung des Abgeordnetenhauses auf Erhebung der Anklage gegen den Präsidenten der Republik, den Regierungsvorsitzenden und die Regierungsmitglieder kann nur durch Zweidrittelmehrheit in Anwesenheit von zwei Dritteln der Abgeordneten erfolgen.

(2) Das Verfahren vor dem Senate als Strafgericht regelt das Gesetz.

§ 35. Jede Kammer wählt sich selbst ihre Präsidium und die übrigen Funktionäre.

§ 36. Die Sitzungen des Abgeordnetenhauses und des Senates sind öffentlich. Nichtöffentliche Sitzungen können nur in den durch die Geschäftsordnung bestimmten Fällen abgehalten werden.

§ 37. (1) Die grundlegenden Grundsätze der Verhandlung und die Beziehungen beider Kammern zueinander, sowie auch zur Regierung und nach außen überhaupt, werden im Rahmen der Verfassungsvorschriften durch ein besonderes Gesetz geregelt. Ihre eigenen Verhältnisse regelt jede Kammer durch eine im eigenen Wirkungskreise zu erlassende Geschäftsordnung.

(2) Solange das Abgeordnetenhaus und der Senat keine neue Geschäftsordnung beschließen, gilt für sie die von der bisherigen Nationalversammlung beschlossene Geschäftsordnung.

hierzu die Gesetze Nr. 325 (Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses) und Nr. 326 (Geschäftsordnung des Senates) vom 15. April 1920.

§ 38. (1) Falls beide Kammern eine gemeinsame Sitzung als Nationalversammlung abhalten (§§ 56, 59, 61, 65), gilt für diese Versammlung die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses.

(2) Eine solche gemeinsame Versammlung wird vom Regierungsvorsitzenden einberufen und vom Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses geleitet.

(3) Sein Stellvertreter ist der Vorsitzende des Senates.

§ 39. Die Minister haben das Recht, sich wann immer an den Sitzungen in beiden Kammern und in allen Ausschüssen zu beteiligen. Es ist ihnen das Wort, wann immer sie es verlangen, zu erteilen.

§ 40. (1) Über Begehren jeder Kammer oder deren Ausschusses hat sich der Minister persönlich in der Sitzung einzufinden.

(2) Sonst kann sich der Minister durch Beamte seines Ressorts vertreten lassen.

§ 41. (1) Gesetzanträge können entweder von der Regierung oder von einer Kammer ausgehen.

(2) Zu jedem von einem Mitgliede einer Kammer überreichten Gesetzentwurfe ist ein Voranschlag über die finanzielle Tragweite des Entwurfes und ein Antrag auf Bedeckung des erforderlichen Aufwandes beizuschließen.

(3) Die Regierungsanträge des Budgets- und Wehrgesetzes müssen zunächst dem Abgeordnetenhause vorgelegt werden.

§ 42. Zum Verfassungsgesetze ist stets ein übereinstimmender Beschluß beider Kammern erforderlich. Dasselbe gilt auch von anderen gesetzen, insoferne nicht die §§ 43, 44 und 48 etwas anderes bestimmen.

§ 43. (1) Der Senat ist verpflichtet, über einen vom Abgeordnetenhause angenommenen Gesetzantrag binnen sechs Wochen, über den Antrag des Budget- und Wehrgesetzes binnen einem Monate Beschluß zu fassen. Das Abgeordnetenhaus ist verpflichtet, über einen vom Senate angenommenen Gesetzantrag binnen drei Monaten Beschluß zu fassen.

(2) Diese Fristen werden von dem Tage, wo der gedruckte Beschluß der einen Kammer der zweiten Kammer eingehändigt wurde, gerechnet und können durch Übereinkunft beider Kammern verlängert oder abgekürzt werden. Die dem Senate für die Erledigung des Budget- und Wehrgesetzentwurfes gewährte einmonatige Frist kann nicht verlängert werden.

(3) Wenn während der maßgebenden Frist die Wahlperiode der Kammer, welche über den Beschluß der zweiten Kammer verhandeln soll, abgelaufen ist, oder wenn jene Kammer aufgelöst, vertagt wurde, oder wenn ihre Tagung beendet wurde, läuft für sie die neue Frist von ihrer nächsten Sitzung.

(4) Falls die zweite Kammer in den in den vorhergehenden Absätzen festgesetzten Fristen keinen Beschluß faßt, wird angenommen, faß sie dem Beschlusse der ersten Kammer zustimmt.

§ 44. (1) Der Beschluß des Abgeordnetenhauses wird trotz abweichendem Beschlusse des Senats zum Gesetze, wenn das Abgeordnetenhaus mit Stimmenmehrheit aller seiner Mitglieder beschließt, auf seinem ursprünglichen Beschlusse zu beharren. Wenn aber der Senat den im Abgeordnetenhause angenommenen Entwurf abgelehnt hat, wird der Entwurf zum Gesetze, falls das Abgeordnetenhaus mit Dreifünftelmehrheit aller seiner Mitglieder auf seinem Beschlusse beharrt.

(2) Die Anträge des Senates werden dem Abgeordnetenhause übergeben. Werden sie abgelehnt und verharrt der Senat bei seinem ursprünglichen Beschlusse mit Stimmenmehrheit aller seiner Mitglieder, so leitet er seinen Beschluß neuerlich an das Abgeordnetenhaus. Wenn das Abgeordnetenhaus den Beschluß des Senates mit Stimmenmehrheit aller seiner Mitglieder zum zweiten Male ablehnt, so wird der Beschluß des Senates nicht zum Gesetze.

(3) Die so abgewiesenen Entwürfe können in keiner Kammer vor Ablauf eines Jahres neuerlich überreicht werden.

(4) Falls die eine Kammer den Beschluß der zweiten Kammer abändert, ist dies der Abweisung gleichzuhalten.

§ 45. Wenn eine Kammer neuerlich über einen Gesetzentwurf, über den sie schon einmal Beschluß gefaßt hat, beschließen oder neuerlich über den in der zweiten Kammer angenommenen Gesetzentwurf (§ 44 Abs. 2) verhandeln soll, und wenn jene Kammer aufgelöst wurde, oder wenn inzwischen ihre Wahlperiode abgelaufen ist, bevor sie das zweitemal Beschluß fassen konnte, wird ihr neuer Beschluß als zweiter Beschluß nach § 44 angesehen.

§ 46. (1) Wenn die Nationalversammlung den Regierungsantrag eines Gesetzes abgewiesen hat, kann die Regierung beschließen, daß durch Volksabstimmung entschieden werde, ob der abgewiesene Regierungsantrag Gesetz werden soll. Der Beschluß der Regierung muß einmütig sein.

(2) Das Abstimmungsrecht hat jeder, der berechtigt ist, in das Abgeordnetenhaus zu wählen.

(3) Die Einzelheiten regelt das Gesetz.

(4) Die Volksabstimmung ist unzulässig: über Gesetzanträge der Regierung, mit denen die Verfassungsurkunde und ihre Bestandteile abgeändert oder ergänzt werden soll (Art. I. des Einführungsgesetzes).

§ 47. Der Präsident der Republik hat das Recht, ein von der Nationalversammlung beschlossenes Gesetz binnen einem Monate, beginnend von dem Tage, als der Beschluß der Nationalversammlung der Regierung übergeben wurde, mit Bemerkungen zurückzuleiten.

§ 48. (1) Wenn beide Kammern bei namentlicher Abstimmung auf dem zurückgestellten Gesetze mit Stimmenmehrheit aller seiner Mitglieder beharren, ist das Gesetz kundzumachen.

(2) Falls eine solche übereinstimmende Mehrheit in beiden Kammern nicht erreicht wurde, ist das Gesetz kundzumachen, wenn es vom Abgeordnetenhaus bei abermaliger namentlicher Abstimmung mit Dreifünftelmehrheit aller seiner Mitglieder beschlossen wurde.

(3) Wenn es sich um eine Gesetz handelt, zu dessen Annahme die Anwesenheit von mehr Mitgliedern und eine besonders bezeichnete Mehrheit erforderlich ist, so muß das zurückgestellte Gesetz bei dieser größeren Mitgliederzahl und mit der bezeichneten Mehrheit angenommen werden.

(4) Die Bestimmung des § 45 gilt analog.

§ 49. (1) Zur Gültigkeit eines Gesetzes ist seine Kundmachung, und zwar auf eine solche Art erforderlich, wie es das Gesetz bestimmt.

(2) Die Gesetze werden mit diesem Satze kundgemacht:

"Die Nationalversammlung der Tschechoslowakischen Republik hat dieses Gesetz beschlossen."

(3) Das Gesetz ist binnen acht Wochentagen nach Ablauf der im § 47 bestimmten Frist kundzumachen. Wenn der Präsident der Republik sein dortselbst angeführtes Recht ausübt, ist das Gesetz binnen acht Wochentagen von jener Zeit beginnend kundzumachen, wann der abermalige Beschluß der Nationalversammlung (§ 48) der Regierung mitgeteilt wurde.

hierzu das Gesetz Nr. 139 vom 13. März 1919 über die Sammlung der Gesetze und Verordnungen der Cechoslovakischen Staates (geändert durch Gesetz Nr. 500/1921)

§ 50. In jedem Gesetze ist anzuführen, welchem Mitgliede der Regierung seine Durchführung aufgetragen wird.

§ 51. (1) Das Gesetz unterschreibt der Präsident der Republik, der Vorsitzende der Regierung und der mit der Durchführung des Gesetzes betraute Minister. Wenn der verhinderte oder erkrankte Präsident keinen Stellvertreter hat, unterschreibt für ihn der Vorsitzende der Regierung.

(2) Der Vorsitzende der Regierung wird bei der Unterschrift der Gesetze auf die im § 71 bestimmte Weise vertreten.

§ 52. (1) Jede Kammer ist berechtigt, den Vorsitzenden und die Mitglieder der Regierung in den Angelegenheiten ihres Wirkungskreises zu interpellieren, die Verwaltungshandlungen der Regierung zu überprüfen, Ausschüsse zu wählen, denen die Ministerien Informationen zu erteilen haben, Adressen und Resolutionen zu beschließen.

(2) Der Vorsitzende und die Mitglieder der Regierung sind verpflichtet, die Interpellationen der Mitglieder der Kammern zu beantworten.

§ 53. Die Ausübung der Kontrolle der staatlichen Finanzwirtschaft und der Staatsschuld regelt das Gesetz.

§ 54. (1) In der Zeit von der Auflösung einer Kammer oder vom Ablaufe ihre Wahlperiode bis zum abermaligen Zusammentritte der Kammern, ferner in jener Zeit, während welcher deren Session vertagt oder beendet ist, trifft die unaufschiebbaren Maßnahmen, auch wenn hiefür sonst ein Gesetz erforderlich wäre, und führt die Aufsicht über die Regierungs- und Vollzugsgewalt ein 24gliedriger Ausschuß, in welchen aus seiner Mitte 16 Mitglieder und ebensoviele Ersatzmänner das Abgeordnetenhaus und 8 Mitglieder und ebensoviele Ersatzmänner der Senat stets auf ein Jahr gewählt. Der Ersatzmann wird für ein bestimmtes Mitglied gewählt.

(2) Die ersten Wahlen werden sofort, sobald sich beide Kammern konstituieren, durchgeführt. Die Mitglieder des Präsidiums stimmen in beiden Kammern mit. Wenn die Wahlen in einer Kammer durchgeführt wurden, werden in der neu konstituierten Kammer die Mitglieder des Ausschusses gewählt, auch wenn die einjährige Dauer der bisherigen Mitglieder noch nicht abgelaufen ist.

(3) Gewählt wird nach dem Grundsatze der Verhältnisvertretung. Die Koppelung der Parteien ist zulässig. Wenn alle Parteien übereinstimme, erfolgt die Wahl des Ausschusses aus dem Plenum. Der Widerspruch von höchstens 20 Abgeordneten oder 10 Senatoren steht dem nicht im Wege.

(4) Die Mitglieder des Ausschusses behalten ihre Funktionen, bis die neuen gewählt werden. Die Ersatzmänner treten für Mitglieder ein, welche dauernd oder vorübergehend ihre Funktionen nicht versehen können. Wenn ein Mitglied oder Ersatzmann in der Wahlperiode abgeht, so werden für den Rest der Wahlperiode Ergänzungswahlen vorgenommen. Das neugewählte Mitglied muß derselben Gruppe wie das abgegangene Mitglied angehören, es sei denn, daß diese Gruppe keinen Kandidaten beantragt oder die Teilnahme an den Wahlen verweigert.

(5) Ein Mitglied der Regierung kann nicht Mitglied oder Ersatzmann eines Ausschusses sein.

(6) Sobald der Ausschuß gewählt wurde, wählt er den Vorsitzenden und zweiten Vorsitzendenstellvertreter aus den vom Abgeordnetenhause gewählten Mitgliedern und den ersten Vorsitzendenstellvertreter aus den vom Senate gewählten Mitgliedern.

(7) Für die Mitglieder des Ausschusses gelten die Bestimmungen der §§ 23 bis 27 der Verfassungsurkunde.

(8) Der Ausschuß ist in allen in die gesetzgebende und Verwaltungstätigkeit der Nationalversammlung fallenden Angelegenheiten zuständig, aber er ist nicht berechtigt:
a) den Präsidenten der Republik oder seinen Stellvertreter zu wählen;
b) die Verfassungsgesetze (Artikel I des Einführungsgesetzes) und die Zuständigkeit der Behörden abzuändern, es sei denn, daß es sich um die Erweiterung des Wirkungskreises bereits errichteter Behörden durch neue Aufgaben handelt;
c) durch seine Maßnahmen neue dauernde finanzielle Lasten den Bürgern aufzuerlegen, die Wehrpflicht zu erweitern, die Staatsfinanzen dauernd zu belasten oder Staatseigentum zu veräußern;
d) die Zustimmung zur Kriegserklärung zu erteilen.

(9) Zu einer Maßnahme, für die sonst ein Gesetz erforderlich wäre, oder wenn eine Ausgabe oder Deckung außerhalb des Voranschlages genehmigt werden soll, ist die Zustimmung der Mehrheit aller Mitglieder notwendig.

(10) In allen übrigen Fällen genügt zur Beschlußfassung die Anwesenheit der Hälfte der Ausschußmitglieder und die Mehrheit aller Anwesenden. Der Vorsitzende stimmt nur bei Stimmengleichheit mit.

(11) Unaufschiebbare Maßnahmen, zu denen sonst ein Gesetz erforderlich wäre, sind bloß über den vom Präsidenten der Republik genehmigten Antrag der Regierung zulässig.

(12) Die im vorigen Absatze angeführten Verfügungen des Ausschusses haben einstweilige Gültigkeit eines Gesetzes, sie müssen unter Hinweis auf § 54 der Verfassungsurkunde in der Sammlung der Gesetze und Verordnungen kundgemacht sein und werden vom Präsidenten der Republik, dem Vorsitzenden der Regierung oder seinem Stellvertreter und von wenigstens der Hälfte der Minister unterschrieben. Maßnahmen, denen der Präsident der Republik die Zustimmung verweigert hat, können nicht kundgemacht werden.

(13) Die Wirksamkeit des Verfassungsgerichtshofes erstreckt sich auf Maßnahmen, zu denen sonst ein Gesetz erforderlich wäre, und sind ihm von der Regierung gleichzeitig mit der Kundmachung in der Sammlung der Gesetze und Verordnungen vorzulegen. Dem Verfassungsgerichtshofe obliegt die Entscheidung, ob die ihm vorgelegten Maßnahmen dem Abs. 8 lit. b) entsprechen.

(14) Der Vorsitzende des Ausschusses und sein Stellvertreter erstatten in der nächsten Sitzung des Abgeordnetenhauses und Senates über die Tätigkeit des Ausschusses Bericht und zwar auch, wenn sie aufgehört haben, Mitglieder des Abgeordnetenhauses oder Senates zu sein.

(15) Maßnahmen, die von beiden Kammern nicht binnen 2 Monaten nach ihrem Zusammentritte genehmigt werden, verlieren ihre weitere Gültigkeit.

Drittes Hauptstück.
Regierungs- und Vollzugsgewalt.

§ 55. Verordnungen können nur zur Durchführung eines bestimmten Gesetzes und in seinen Grenzen erlassen werden.

Der Präsident der Republik

I.

§ 56. (1) Der Präsident der Republik wird von der Nationalversammlung gewählt (§ 38).

(2) Gewählt kann ein Staatsbürger der tschechoslowakischen Republik werden, der in das Abgeordnetenhaus wählbar ist und das 35. Lebensjahr erreicht hat (§ 67).

§ 57. (1) Zur Gültigkeit der Wahl ist die Anwesenheit der Mehrheit der Gesamtzahl der Mitglieder des Abgeordnetenhauses und Senates zur Zeit der Wahl und die Dreifünftelmehrheit der Anwesenden erforderlich.

(2) Wenn die zweifache Wahl zu keinem Ziele geführt hat, wird eine engere Wahl zwischen jenen Kandidaten vorgenommen, die die meisten Stimmen erhalten haben. Gewählt erscheint, wer die meisten Stimmen erhalten hat. Sonst entscheidet das Los.

(3) Das Einzelheiten regelt das Gesetz.

hierzu das Gesetz Nr. 161 vom 9. März 1920 (Präsidentenwahlgesetz).

§ 58. (1) Die Wahlperiode wird von dem Tage gerechnet, an dem der neugewählte Präsident das Gelöbnis nah § 65 abgelegt hat.

(2) Die Wahlperiode dauert sechs Jahre.

(3) Die Wahl wird in den letzten 4 Wochen vorgenommen, bevor die Wahlperiode des im Amte befindlichen Präsidenten abläuft.

(4) Niemand kann öfter als zweimal hintereinander gewählt werden. Wer durch zwei aufeinanderfolgende Wahlperioden Präsident war, kann nicht neuerlich gewählt werden, soferne nicht seit Beendigung der letzten Periode sieben Jahre verflossen sind; diese Bestimmung bezieht sich nicht auf den ersten Präsidenten der tschechoslowakischen Republik.

(5) Der frühere Präsident verbleibt in seiner Funktion, solange nicht ein neuer Präsident gewählt wurde.

§ 59. Falls der Präsident stirbt oder auf seine Funktion innerhalb der Wahlperiode verzichtet, wird die Neuwahl nach den Bestimmungen der §§ 56 und 57 auf weitere 7 Jahre vorgenommen. Die Nationalversammlung (§ 38) ist zu diesem Behufe binnen 14 Tagen einzuberufen.

§ 60. Solange der neue Präsident nicht gewählt ist (§ 59), oder wenn der Präsident verhindert oder so erkrankt ist, daß er sein Amt nicht ausüben kann, steht die Ausübung seiner Funktionen der Regierung zu, welche ihren Vorsitzenden mit einzelnen Funktionen betrauen kann.

§ 61. (1) Wenn der Präsident länger als 6 Monate verhindert oder krank ist (§ 60), und wenn dies die Regierung in Anwesenheit von drei Vierteln ihrer Mitglieder beschließt, wählt die Nationalversammlung (§ 38) einen Stellvertreter des Präsidenten, dessen Amt so lange dauert, bis das Hindernis entfällt.

(2) Wer nicht gemäß § 58 Präsident sein kann, kann während dieser Zeit auch nicht sein Stellvertreter sein.

§ 62. Für die Wahl des Stellvertreters gilt dasselbe, was für die Wahl des Präsidenten gilt.

§ 63. (1) Der Präsident der Republik kann nicht gleichzeitig Mitglied der Nationalversammlung sein. Wenn zum Stellvertreter des Präsidenten ein Mitglied der Nationalversammlung gewählt wird, darf es, solange es Stellvertreter ist, das Mandat in der Nationalversammlung nicht ausüben.

(2) Der Hauptsitz des Präsidenten ist Prag.

II.

§ 64. (1) Der Präsident der Republik
1. vertritt den Staat nach außen. Er schließt ab und ratifiziert die internationalen Verträge, Handelsverträge, ferner Verträge, aus denen für den Staat der die Bürger irgend welche Vermögens- oder persönliche, insbesondere auch militärische Lasten fließen, sowie Verträge, durch die das Staatsgebiet abgeändert wird, bedürfen der Zustimmung der Nationalversammlung. Soferne es sich um Änderungen des Staatsgebietes handelt, wird die Zustimmung der Nationalversammlung in Form eines Verfassungsgesetzes erteilt (Art. I. des Einführungsgesetzes);
2. empfängt und akkreditiert die Gesandten;
3. erklärt den Kriegszustand, verkündet nach vorheriger Zustimmung der Nationalversammlung den Krieg und legt ihr den vereinbarten Frieden zur Erklärung der Zustimmung vor;
4. beruft die Nationalversammlung ein, vertagt und löst sie auf (§ 28-31) und erklärt die Tagung der Kammern für beendet;
5. hat das Recht, die beschlossenen Gesetze mit Bemerkungen zurückzustellen (§ 47) und unterschreibt die Gesetze der Nationalversammlung (§ 51), des Landtags von Karpatho-Rußland (§ 3) und die Verfügungen des Ausschusses nach § 54;
6. erstattet mündlich oder schriftlich der Nationalversammlung Bericht über den Stand der Republik und empfiehlt ihr zur Erwägung jene Maßnahmen, die er als notwendig und zweckdienlich erachtet;
7. ernennt und entläßt die Minister und bestimmt ihre Anzahl;
8. ernennt die Hochschulprofessoren überhaupt, ferner die Richter, die Staatsbeamten und Offiziere von der VI. Rangklasse an;
9. erteilt Gnadengeschenke und Pensionen über Antrag der Regierung;
10. hat den Oberbefehl über die gesamte Wehrmacht;
11. erteilt Gnade nach § 103.

(2) Die gesamte Regierungs- und Vollzugsgewalt steht der Regierung zu (§ 70), soferne sie nicht durch die Verfassungsurkunde oder durch die nach den 15. November 1918 erlassenen gesetze der tschechoslowakischen Republik ausdrücklich dem Präsidenten der Republik vorbehalten ist oder sein wird.

III.

§ 65. Der Präsident der Republik gelobt vor der Nationalversammlung (§ 38) auf Ehre und Gewissen, daß er für das Wohl der Republik und des Volkes Sorge tragen und die Verfassungs- und anderen Gesetze beobachten wird.

§ 66. Der Präsident ist für die Ausübung seines Amtes nicht verantwortlich. Für seine mit dem Amte des Präsidenten zusammenhängenden Kundgebungen ist die Regierung verantwortlich.

§ 67. (1) Strafgerichtlich kann er nur wegen Hochverrats verfolgt werden, und zwar vor dem Senate über Anklage des Abgeordnetenhauses (§ 34). Als Strafe kann nur der Verlust des Präsidentenamtes und der Befähigung, dieses Amt später neuerlich zu erlangen, eintreten.

(2) Die Einzelheiten regelt das Gesetz.

§ 68. Jeder Akt der Regierungs- und Vollzugsgewalt des Präsidenten bedarf zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung eines verantwortlichen Mitgliedes der Regierung.

§ 69. Die Bestimmungen über den Präsidenten der Republik gelten auch für seinen Stellvertreter (§ 61).

Die Regierung

§ 70. (1) Den Vorsitzenden und die Mitglieder der Regierung (die Minister) ernennt und entläßt der Präsident der Republik.

(2) Der regelmäßige Sitz der Regierung ist Prag (§ 6 Abs. 2).

§ 71. Die Regierung wählt aus ihrer Mitte den Stellvertreter des Vorsitzenden, der den Vorsitzenden vertritt. Wenn ihn auch der Stellvertreter nicht vertreten kann, vertritt ihn das dem Alter nach älteste Mitglied der Regierung.

§ 72. Der Präsident der Republik bestimmt, welches von den Mitgliedern der Regierung die einzelnen Ministerien leitet.

§ 73. Die Mitglieder der Regierung legen in die Hand des Präsidenten der Republik das Gelöbnis auf Ehre und Gewissen ab, daß sie gewissenhaft und unparteiisch ihre Pflichten erfüllen und die Verfassungs- und anderen Gesetze beobachten werden.

§ 74. Kein Mitglied der Regierung darf Mitglied des Vorstandes oder Aufsichtsrates oder Vertreter von Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung sein, sofern diese Gesellschaften sich mit Erwerbstätigkeit befassen.

§ 75. Die Regierung ist dem Abgeordnetenhaus verantwortlich, das ihr das Mißtrauen aussprechen kann. Zu dem Beschluß ist die Anwesenheit der Mehrheit der Abgeordneten, die Mehrheit der Stimmen und namentliche Abstimmung erforderlich.

§ 76. Der Antrag auf Ausdruck des Mißtrauens muß von mindestens 100 Abgeordneten unterschrieben sein und wird einem Ausschuß zugewiesen, der hierüber binnen längstens acht Tagen Bericht erstattet.

§ 77. Die Regierung kann dem Abgeordnetenhause den Antrag auf Ausdruck des Vertrauens stellen. Über diesen Antrag wird verhandelt, ohne daß er einem Ausschusse zugewiesen wurde.

§ 78. (1) Hat das Abgeordnetenhaus der Regierung das Mißtrauen ausgesprochen oder den Regierungsantrag auf Ausdruck des Vertrauens abgelehnt, so muß die Regierung ihre Demission in die Hand des Präsidenten geben, der dann bestimmt, wer, solange die neue Regierung nicht gebildet ist, die Regierungsgeschäfte führt.

(2) Kommt es zu einer Demission der Regierung zu einem Zeitpunkt, in dem weder ein Präsident, noch ein Stellvertreter vorhanden ist, so entscheidet der im § 54 angeführte Ausschuß über die Demission und trifft über die vorläufige Führung der Regierungsgeschäfte Verfügungen.

§ 79. (1) Verletzen der Ministerpräsident oder die Mitglieder der Regierung absichtlich oder aus grober Fahrlässigkeit in ihrem amtlichen Wirkungskreis die Verfassung oder andere Gesetze, so sind sie strafrechtlich verantwortlich.

(2) Das Recht zur Anklage steht dem Abgeordnetenhaus zu (§ 34). Das Strafverfahren führt der Senat durch.

(3) Nähere Bestimmungen trifft das Gesetz.

§ 80. Die Regierung entscheidet in einem Kollegium, das beschlußfähig ist, sobald außer dem Vorsitzenden oder seinem Stellvertreter die Mehrheit der Minister anwesend ist.

§ 81. Die Regierung entscheidet im Kollegium insbesondere:
a) über Regierungsvorlagen für die Nationalversammlung, über Regierungsverordnungen (§ 84) sowie über Anträge, daß der Präsident der Republik von seinem Rechte nach § 47 Gebrauch machen möge;
b) über alle Angelegenheiten politischen Charakters;
c) über die Ernennung von Richtern, Staatsbeamten und Offizieren von der VIII. Rangklasse angefangen, sofern sie den Zentralbehörden zusteht, oder über Anträge auf Ernennung von Funktionären, die vom Präsidenten der Republik (§ 64 Z. 8) ernannt werden.

§ 82. Der Präsident der Republik hat das Recht, den Sitzungen der Regierung beizuwohnen und darin den Vorsitz zu führen, von der Regierung und ihren einzelnen Mitgliedern schriftliche Berichte über jede Sache, die in ihren Wirkungskreis gehört, zu verlangen.

§ 83. Der Präsident der Republik hat das Recht, die Regierung oder ihre Mitglieder zu Beratungen einzuladen.

§ 84. Jede Regierungsverordnung wird vom Regierungsvorsitzenden oder seinem Stellvertreter (Vertreter) und den mit ihrer Durchführung betrauten Ministern, mindestens aber von der Hälfte der Minister unterschrieben.

Ministerien und nachgeordnete Verwaltungsbehörden

§ 85. Der Wirkungskreis der Ministerien wird im Gesetzwege geregelt.

§ 86. In den nachgeordneten staatlichen Verwaltungsbehörden soll nach Möglichkeit das bürgerliche Element vertreten sein und es ist bei den Verwaltungsbehörden für den ausgibigsten Schutz der Rechte und Interessen der Bürgerschaft Sorge zu tragen (Verwaltungsgerichtsbarkeit).

hierzu das Gesetz Nr. 3 vom 2. November 1918 (Errichtung eines Obersten Verwaltungsgerichts), Gesetz Nr. 158 vom 9. März 1920 (Verwaltungsgerichtsbarkeit), Gesetz Nr. 125 vom 14. Juli 1927 (Verwaltungsreformgesetz, ergänzt durch Gesetz Nr. 92/1928) samt Regierungsverordnung Nr. 8 vom 13. Januar 1928 (allgemeines Verwaltungsverfahren).

§ 87. (1) Niemand kann zugleich gewähltes Mitglied einer nachgeordneten Behörde und einer Behörde sein, die der nachgeordneten übergeordnet ist oder über sie das Aufsichtsrecht ausübt.

(2) Ausnahmen von diesem Grundsatz bestimmt das Gesetz.

§ 88. (1) Rechtsschutz gegen Verwaltungsbehörden gewährt in erster Instanz ein aus unabhängigen Richtern zusammengesetzter und für das Gebiet der ganzen Republik errichteter Gerichtshof.

(2) Nähere Bestimmungen werden durch das Gesetz getroffen.

§ 89. Wie die nachgeordneten Behörden der Staatsverwaltung eingerichtet sind, wird im Grundsatze durch ein Gesetz bestimmt, das die nähere Regelung dem Verordnungswege überlassen kann.

§ 90. In das Gebiet der Verordnungsgewalt gehört die Errichtung und Organisation der Staatsbehörden, die nur die wirtschaftliche Verwaltung ohne irgend welche Hoheitsrechte zu besorgen haben.

§ 91. Zusammensetzung und Wirkungskreis der autonomen Körperschaften wird durch besonderes Gesetz geregelt.

hierzu siehe u.a. Gesetz Nr. 126 vom 29. Februar 1920 (Gau- und Bezirksverfassung, u.a. geändert durch Gesetz Nr. 125/1927), Gesetz Nr. 75 vom 31. Januar 1919 (Gemeindewahlordnung, geändert durch Gesetz Nr. 253/1922), Gesetz Nr. 76 vom 7. Februar 1919 (Novelle zu den Gemeindeordnungen), Gesetz Nr. 330 vom 14. April 1920 (Wahlordnung in den Gauen und Bezirken), Gesetz Nr. 77 vom 15. Juni 1927 (Neuregelung der Finanzwirtschaft der Selbstverwaltungskörper).

§ 92. Inwieweit der Staat für einen durch ungesetzliche Ausübung der öffentlichen Gewalt verursachten Schaden haftet, wird durch das Gesetz bestimmt.

§ 93. Die öffentlichen Bediensteten haben in ihrer amtlichen Tätigkeit die Verfassungs- und anderen Gesetze zu beobachten. Dasselbe gilt von den bürgerlichen Mitgliedern der Verwaltungsbehörden (Körperschaften).

hierzu auch das Gesetz Nr. 125 vom 14. Juli 1927 (Organisation der politischen Verwaltung)

Viertes Hauptstück.
Die richterliche Gewalt.

§ 94. (1) Die Gerichtsbarkeit wird durch die staatlichen Gerichte ausgeübt; das Gesetz bestimmt ihre Organisation, die sachliche und örtliche Zuständigkeit sowie das Verfahren vor ihnen.

(2) Niemand darf seinem ordentlichen Richter entzogen werden.

(3) Nur im Strafverfahren dürfen Ausnahmegerichte und zwar nur in den vom Gesetz vorher bestimmten Fällen und auf eine beschränkte Zeit eingeführt werden.

§ 95. (1) Die richterliche Gewalt in Zivilrechtssachen steht den Zivilgerichten und zwar entweder den ordentlichen oder den außerordentlichen und Schiedsgerichten, die richterliche Gewalt in Strafsachen den Zivilstrafgerichten zu, sofern sie nicht durch ein besonderes Gesetz den Militärstrafgerichten zugewiesen ist der sofern diese Sachen nach den allgemeinen Vorschriften nicht im polizei- oder finanzämtlichen Strafverfahren zu behandeln sind.

(2) Für das ganze Gebiet der tschechoslowakischen Republik ist ein Oberster Gerichtshof errichtet.

(3) Die Zuständigkeit und Tätigkeit der Schwurgerichte wird durch ein besonderes Gesetz geregelt.

(4) Die Tätigkeit der Schwurgerichte kann in den vom Gesetz bestimmten Fällen zeitweilig eingestellt werden.

(5) Die richterliche Gewalt der Militärgerichte kann auf die zivile Bevölkerung nach den gesetzlichen Bestimmungen nur während des Krieges und zwar nur für die während dieser Zeit begangenen Taten ausgedehnt werden.

hierzu das Gesetz Nr. 5 vom 2. November 1918 (Errichtung des Obersten Gerichts, geändert durch Gesetz Nr. 216/1919); das Gesetz Nr. 268 vom 15. April 1920 (Ermächtigung zur Anordnung von zeitweiliger Einstellung der Tätigkeit der Schwurgerichte).

§ 96. (1) Die Gerichtsbarkeit ist in alle Instanzen von der Verwaltung geschieden.

(2) Die Entscheidungen von Streiten über die Zuständigkeit zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden regelt das Gesetz.

§ 97. (1) Das Gesetz setzt die zur Erlangung des Berufsrichteramtes notwendigen Bedingungen fest.

(2) Die Dienstverhältnisse der Richter werde durch ein besonderes Gesetz geregelt werden.

§ 98. (1) Alle Richter üben ihr Amt unabhängig aus und sind nur durch das Gesetz gebunden.

(2) Die Richter haben durch den Diensteid zu geloben, daß sie die Gesetze einhalten werden.

§ 99. (1) Die Berufsrichter sind auf ihren Dienstposten stets dauernd angestellt; gegen ihren Willen können sie versetzt, enthoben oder in den Ruhestand versetzt werden nur im Falle einer neuen Gerichtsorganisation während der im Gesetze bestimmten Frist oder auf Grund eines rechtsgültigen Disziplinarerkenntnisses; in den Ruhestand können sie auf Grund eines rechtsgültigen Erkenntnisses auch versetzt werden, wenn sie das vom Gesetz festgesetzte Alter erreichen. Nähere Bestimmungen trifft ein besonderes Gesetz, das auch festsetzt, unter welchen Bedingungen Richter vom Amt suspendiert werden können.

(2) Die Senate bei den Kollegiatgerichten I. und II. Instanz sind während des ganzen Jahres ständig; Ausnahmen bestimmt das Gesetz.

§ 100. Berufsrichter dürfen andere bezahlte dauernde oder zeitweilige Funktionen nicht versehen, sofern das Gesetz nicht Ausnahmen festsetzt.

§ 101. (1) Die Urteile werden im Namen der Republik gefällt.

(2) Die Verhandlung vor den Gerichten ist öffentlich und mündlich; die Urteile in Strafsachen werden stets öffentlich verkündet; die Öffentlichkeit darf bei der Verhandlung nur in den im Gesetz bestimmten Fällen ausgeschlossen werden.

(3) Im Verfahren vor den Strafgerichten gilt das Anklageprinzip.

§ 102. Die Richter haben das Recht, bei der Beurteilung einer bestimmten Rechtssache die Gültigkeit einer Verordnung zu prüfen; bei einem Gesetz können sie nur prüfen, ob es ordentlich kundgemacht worden ist (§ 51).

§ 103. (1) Dem Präsidenten der Republik steht das Recht zu, Amnestie zu gewähren, Strafen und Rechtsfolgen der strafgerichtlichen Verurteilung, insbesondere auch den Verlust des Wahlrechtes für die Nationalversammlung und andere Vertretungskörper nachzusehen oder zu mildern, sowie auch - mit Ausschluß von privat klagbaren Straftaten - anzuordnen, daß das strafgerichtliche Verfahren nicht eingeleitet oder darin nicht fortgefahren wird.

(2) Diese Rechte stehen dem Präsidenten der Republik nicht zu, wenn es sich um nach § 79 angeklagte oder verurteilte Mitglieder der Regierung handelt.

§ 104. Inwieweit der Staat und die Richter für den Schaden, den diese durch Verletzung des Gesetzes in Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit verursacht haben, haften, bestimmt ein besonders Gesetz.

hierzu das Gesetz Nr. 270 vom 15. April 1920 (Gültigkeit des Syndikatsgesetzes Nr. 112 vom 18. Juli 1872 in der ganzen Tschechoslowakei)

§ 105. (1) In allen Fällen, in denen eine Verwaltungsbehörde nach den darüber kundgemachten Gesetzen über privatrechtliche Ansprüche entscheidet, steht es der durch diese Entscheidung betroffenen Partei zu, nach Erschöpfung der Rechtsmittel zur Abänderung den ordentlichen Rechtsweg zu betreten.

(2) Nähere Bestimmungen werden durch das Gesetz betroffen.

hierzu das Gesetz Nr. 217 vom 15. Oktober 1925.

zum Strafrecht und Gerichtsverfassung siehe u.a. Gesetz Nr. 6 vom 2. November 1918 (Zulässigkeit der Richterversetzung), Gesetz Nr. 562 vom 17. Oktober 1919 (Vereinheitlichung des Strafrechts), das Gesetz Nr. Gesetz Nr. 691 vom 22. Dezember 1920 (Neuorganisation der Gerichte, Zulässigkeit der Richterversetzung, geändert durch Gesetze Nr. 491/1921, 295/1924), Gesetz Nr. 50 vom 19. März 1923 (Gesetz zum Schutze der Republik), Gesetz Nr. 51 vom 19. März 1923 (Einsetzung eines Staatsgerichts), Gesetz Nr. 124 vom 30. Mai 1924 (Änderung der Zuständigkeit der Strafgerichte und die Verantwortlichkeit der Redakteure), Gesetz Nr. 31 vom 21. März 1929 Änderung des Strafgesetzes und der Strafprozeßordnung)

Fünftes Hauptstück.
Rechte und Freiheiten sowie bürgerliche Pflichten.

Gleichheit

§ 106. (1) Vorrechte des Geschlechtes, der Geburt und des Berufes werden nicht anerkannt.

(2) Alle Einwohner der Tschechoslowakischen Republik genießen in gleichen Grenzen als Staatsbürger dieser Republik auf ihrem Gebiete vollen und unbedingten Schutz ihres Lebens und ihrer Freiheit, ohne Rücksicht darauf, welcher Abstammung, Staatszugehörigkeit, Sprache, Rasse oder Religion sie sind. Abweichungen von diesem Grundsatze sind nur insoferne zulässig, als dies das internationale Recht gestattet.

(3) Titel dürfen nur verliehen werden, soferne sie ein Amt oder einen Beruf bezeichnen. Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf akademische Würden.

hierzu das Gesetz Nr. 61 vom 10. Dezember 1918 (Abschaffung des Adels, Aufhebung der Familienfideikommisse, geändert durch Gesetze Nr. 243/1920 und 179/1924)

Freiheit der Person und des Vermögens.

§ 107. (1) Die persönliche Freiheit wird gewährleistet. Einzelheiten regelt das Gesetz als Bestandteil dieser Verfassungsurkunde.

(2) Die Beschränkung oder Entziehung der persönlichen Freiheit ist nur auf Grund des Gesetzes möglich. Ebenso kann die öffentliche Gewalt nur auf Grund des Gesetzes vom Bürger persönliche Leistungen verlangen.

hierzu das Gesetz Nr. 293 vom 9. April 1920 (Gesetz betreffend den Schutz der persönlichen Freiheit, des Hausrechtes und des Briefgeheimnisses).

§ 108. (1) Jeder tschechoslowakische Staatsbürger kann sich an einem beliebigen Orte der Tschechoslowakischen Republik niederlassen, dortselbst Liegenschaften erwerben und eine Erwerbstätigkeit in den Grenzen der allgemeinen Rechtsnormen ausüben.

(2) Die Beschränkung dieses Rechtes ist nur im öffentlichen Interesse auf Grund des Gesetzes zulässig.

§ 109. (1) Das Privateigentum kann nur durch das Gesetz beschränkt werden.

(2) Die Enteignung ist nur auf Grund des Gesetzes und gegen Entschädigung zulässig, soferne nicht durch das Gesetz bestimmt ist oder werden wird, daß eine Entschädigung nicht geleistet werden soll.

hierzu u.a. das Gesetz Nr. 215 vom 16. April 1919 (Bodenbeschlagnahme-Gesetz, geändert durch Gesetze Nr. 387/1919, 108/1921), Gesetz Nr. 330 vom 11. Juni 1919 (Errichtung des Bodenamtes), das Gesetz Nr. 118 vom 12. Februar 1920 (Bewirtschaftung des beschlagnahmten Grundbesitzes), Gesetz Nr. 81 vom 30. Januar 1920 (Zuteilungsgesetz), Gesetz Nr. 329 vom 8. April 1920 (Enteignungsgesetz, geändert durch Gesetz Nr. 220/1922) "Bodenreformgesetze".

§ 110. Das Recht, ins Ausland auszuwandern, kann nur durch das Gesetz beschränkt werden.

§ 111. (1) Steuern und öffentliche Abgaben überhaupt können nur auf Grund des Gesetzes auferlegt werden.

(2) Gleichfalls können nur auf Grund des Gesetzes Strafen angedroht und verhängt werden.

hierzu das Gesetz Nr. 658 vom 11. Dezember 1919 (Umsatzsteuergesetz, Neufassung durch Gesetz Nr. 268/1923 geändert durch Gesetz Nr. 246/1926), Gesetz Nr. 338 vom 21. Dezember 1923 (Kohlenabgabe), Gesetz Nr. 309 vom 8. April 1920 (Wasserkraftsteuer), Gesetz Nr. 6/1924 vom 21. Dezember 1923 (Vermögensabgabe), Gesetz Nr. 76 vom 15. Juni 1927 (Personalsteuer), Gesetz Nr. 77 vom 15. Juni 1927 (Neuregelung der Finanzwirtschaft der Selbstverwaltungskörper).

Freiheit des Hauses.

§ 112. (1) Das Hausrecht ist unverletzlich.

(2) Einzelheiten regelt das Gesetz als Bestandteil dieser Verfassungsurkunde.

hierzu das Gesetz Nr. 293 vom 9. April 1920 (Gesetz betreffend den Schutz der persönlichen Freiheit, des Hausrechtes und des Briefgeheimnisses).

Preßfreiheit, Versammlungs- und Vereinsrecht.

§ 113. (1) Die Freiheit der Presse sowie auch das Recht, sich ruhig und ohne Waffen zu versammeln und Vereine zu bilden, sind gewährleistet. Es ist daher grundsätzlich nicht gestattet, die Presse der Vorzensur zu unterwerfen. Die Ausübung des Vereins- und Versammlungsrechtes wird durch Gesetze geregelt.

(2) Ein Verein kann nur dann aufgelöst werden, wenn durch seine Tätigkeit das Strafgesetz oder die öffentliche Ruhe und Ordnung verletzt wurden.

(3) Durch das Gesetz können Beschränkungen, insbesondere für Versammlungen an dem öffentlichen Verkehre dienenden Plätzen, für die Gründung von Erwerbsvereinen und für die Beteiligung von Ausländern an politischen Vereinen eingeführt werden. Auf diese Weise kann bestimmt werden, welchen Beschränkungen die Grundsätze der vorhergehenden Absätze während des Krieges oder dann unterliegen, wenn sich innerhalb des Staates Begebenheiten ereignen, die im erhöhten Maße die republikanische Staatsform, die Verfassung oder die öffentliche Ruhe und Ordnung bedrohen.

§ 114. (1) Das Koalitionsrecht zum Schutze und zur Unterstützung der Arbeits-(Dienstnehmer-) und wirtschaftlichen Verhältnisse wird gewährleistet.

(2) Alle Handlungen einzelner oder von Vereinigungen, die sich als absichtliche Störung dieses Rechtes darstellen, sind verboten.

zum Wirtschaftsrecht siehe u.a. das Gesetz Nr. 1/1928 vom 13. Dezember 1927 (Wechselgesetz), Gesetz Nr. 111 vom 15. Juli 1927 (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb), das Gesetz Nr. 347 vom 14. April 1920 (Errichtung der tschechoslowakischen Nationalbank, geändert durch Gesetz Nr. 102/1925), Gesetz Nr. 44 vom 28. März 1928 (Mieterschutz, geändert durch Gesetz Nr. 33/1929), Gesetze Nr. 143, 144 und 145 vom 25. Februar 1920 (Mitbestimmungsgesetze), Gesetz Nr. 330 vom 12. August 1921 (Errichtung von Betriebsausschüssen), das Gesetz Nr. 221 vom 24. Oktober 1924 (Alters- und Invaliditätsversicherung), Gesetz Nr. 184 vom 8. November 1928 (Sozialversicherungsnovelle), Gesetz Nr. 26 vom 21. Februar 1929 (Pensionsversicherung für Privatangestellte).

Petitionsrecht

§ 115. Das Petitionsrecht steht jedermann zu; juristischen Personen und Vereinigungen nur in den Grenzen ihres Wirkungskreises.

Briefgeheimnis

§ 116. (1) Das Briefgeheimnis ist gewährleistet.

(2) Einzelheit regelt das Gesetz.

hierzu das Gesetz Nr. 293 vom 9. April 1920 (Gesetz betreffend den Schutz der persönlichen Freiheit, des Hausrechtes und des Briefgeheimnisses).

Lehr- und Gewissensfreiheit. Freiheit der Meinungsäußerung.

§ 117. (1) Jedermann kann in den Grenzen des Gesetzes seine Meinung in Wort, Schrift, Druck, Bild u. dgl. äußern.

(2) Dasselbe gilt von juristischen Personen in den Grenzen ihres Wirkungskreises.

(3) Die Ausübung dieses Rechtes darf niemandem in seinem Arbeits- und Dienstnehmerverhältnisse zum Schaden gereichen.

hierzu u.a. das Gesetz Nr. 106 vom 11. Mai 1923 (Recht des Verlagsvertrags für die Werke der Literatur, der Tonkunst, der bildenden Künste oder der Photographie); Gesetz Nr. 218 vom 24. November 1926 (Gesetz über das Urheberrecht).

§ 118. Die wissenschaftliche Forschung und die Veröffentlichung ihrer Ergebnisse, sowie die Kunst ist frei, soferne sie das Strafgesetz nicht verletzt.

§ 119. Der öffentliche Unterricht ist so einzurichten, daß er den Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung nicht widerspricht.

hierzu u.a. das Gesetz Nr. 135 vom 19. Februar 1920 (Universitätsgesetz).

§ 120. (1) Die Errichtung von privaten Unterrichts- und Erziehungsanstalten ist nur innerhalb der Grenzen der Gesetze gestattet.

(2) Der Staatsverwaltung steht die Oberleitung und Aufsicht über den gesamten Unterricht und die Erziehung zu.

§ 121. Die Freiheit des Gewissens und Bekenntnisses ist gewährleistet.

§ 122. Alle Einwohner der Tschechoslowakischen Republik haben in gleichen Grenzen als Staatsbürger der Tschechoslowakischen Republik das Recht der öffentlichen und privaten Ausübung jeglichen Bekenntnisses, jeglicher Religion oder jeglichen Glaubens, soferne diese Ausübung nicht im Widerspruche mit der öffentlichen Ruhe und Ordnung oder mit den guten Sitten steht.

§ 123. Niemand darf, unter Vorbehalt der aus der väterlichen oder vormundschaftlichen Gewalt fließenden Rechte, weder direkt noch indirekt zur Teilnahme an irgendwelcher religiösen Handlung gezwungen werden.

§ 124. Alle Glaubensbekenntnisse sind vor dem Gesetze gleich.

§ 125. Die Ausübung gewisser religiöser Handlungen kann verboten werden, falls sie der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sittlichkeit widersprechen.

Ehe und Familie.

§ 126. Ehe, Familie und Mutterschaft stehen unter dem besonderen Schutze der Gesetze.

hierzu u.a. das Gesetz Nr. 320 vom 22. Mai 1919 (Gesetz über die Zivilehe; geändert durch Gesetz Nr. 113/1924), das Gesetz Nr. 56 vom 28. März 1928 (Adoptionsgesetz)

Wehrpflicht.

§ 127. (1) Jeder taugliche Staatsbürger der Tschechoslowakischen Republik ist verpflichtet, sich der militärischen Ausbildung zu unterwerfen und der Aufforderung zur Verteidigung des Staates nachzukommen.

(2) Einzelheiten regelt das Gesetz.

zu den Grundrechten siehe auch das Gesetz Nr. 300 vom 14. April 1920 (Ausnahmezustand)

Sechstes Hauptstück.
Schutz der nationalen Religions- und Rassenminderheiten.

§ 128. (1) Alle Staatsbürger der Tschechoslowakischen Republik sind vor dem Gesetze vollständig gleich und genießen gleiche bürgerliche und politische Rechte, ohne Rücksicht darauf, welcher Rasse, Sprache oder Religion sie sind.

(2) Der Unterschied in der Religion, im Glauben, im Bekenntnisse und in der Sprache ist für keinen Staatsbürger der Tschechoslowakischen Republik in den Grenzen der allgemeinen Gesetze ein Hindernis, insbesondere soweit es sich um den Zutritt zum öffentlichen Dienste, zu Ämtern und Würden handelt, oder soweit es sich um die Ausübung irgend eines Gewerbes oder Berufes handelt.

(3) Die Staatsbürger der Tschechoslowakischen Republik können in den Grenzen der allgemeinen Gesetze welche Sprache immer in den privaten und geschäftlichen Beziehungen, in den die Religion betreffenden Angelegenheiten, in der Presse und jeglichen Veröffentlichungen oder in den öffentlichen Volksversammlungen frei benützen.

(4) Hiedurch werden aber nicht die Rechte berührt, welche den Staatsorganen in diesen Richtungen nach den gültigen oder künftig erlassenen Gesetze aus den Gründen der öffentlichen Ordnung und staatlichen Sicherheit und der wirksamen Aufsicht zustehen.

§ 129. Die Grundzüge des Sprachenrechtes in der Tschechoslowakischen Republik bestimmt ein besonderes, einen Bestandteil der Verfassungsurkunden bildendes Gesetz.

hierzu das Gesetz Nr. 122 vom 29. Februar 1920 (Sprachengesetz) samt Regierungsverordnung Nr. 17 vom 3. Februar 1926 (geändert durch RegVO Nr. 229/1928).

§ 130. Soweit den Staatsbürgern nach den allgemeinen Gesetzen das Recht zusteht, aus eigenen Mitteln humanitäre, religiöse und soziale Anstalten, Schulen und andere Erziehungsanstalten zu gründen, zu leiten und zu verwalten, sind die Staatsbürger ohne Unterschied der Nationalität, Sprache, Religion und Rasse einander gleich und sie können in diesen Anstalten ihre Sprache frei gebrauchen und ihre Religion ausüben.

§ 131. In den Städten und Bezirken, in welchen ein beträchtlicher Bruchteil von tschechoslowakischen Staatsbürgern einer anderen Sprache als der tschechoslowakischen ansässig ist, wird den Kindern dieser tschechoslowakischen Staatsbürger in dem öffentlichen Unterrichte in den Grenzen der allgemeinen Regelung eine angemessene Unterrichtsangelegenheit gewährleistet, daß sie den Unterricht in ihrer eigenen Sprache genießen, wobei der Unterricht der tschechoslowakischen Sprache als obligat bestimmt werden kann.

§ 132. Soweit in den Städten und Bezirken, in denen ein beträchtlicher Bruchteil von tschechoslowakischen Staatsbürgern ansässig ist, welche den religiösen, nationalen und sprachlichen Minderheiten angehören, bestimmte Beträge für Erziehung, Religion oder Humanität aus den öffentlichen Fonds nach dem Staatsvoranschlag, den Gemeinde- oder anderen öffentlichen Voranschlägen aufgewendet werden sollen, wird diesen Minderheiten in den Grenzen der allgemeinen für die öffentliche Verwaltung gültigen Vorschriften ein angemessener Anteil am Genusse und Gebrauche gewährleistet.

§ 133. Die Durchführung der Grundsätze der §§ 131 und 132 und insbesondere die Begrenzung des Begriffs "beträchtlicher Bruchteil" wird besonderen Gesetzen vorbehalten.

§ 134. Jegliche Art einer gewaltsamen Entnationalisierung ist unerlaubt. Die Nichtbeachtung dieses Grundsatzes kann das Gesetz als strafbare Handlung erklären.

T. G. Masaryk

Tusar
Stanek
Houdek

Dr. Benes
Klofac
Sonntag
Dr. Heidler
Habrman
Dr. Winter
Prasek
Dr. Franke
Dr. Vesely
Hampl

Die Verfassung der 1. Tschechoslowakischen Republik hat zwar eine freiheitlich-demokratische Grundordnung geschaffen, gleichzeitig aber die Minderheitenprobleme aus Österreich-Ungarn in den Nationalstaat der Tschechen und Slowaken (mit anderen Vorzeichen) übernommen. Die Tschechoslowakei wurde geschaffen aus
1. den Ländern der Böhmischen Krone (Böhmen, Mähren und dem größten Teil von Schlesien; vorher Teil Österreichs)
2. aus den Gebieten des Königreichs Ungarn mit mehrheitlich slowakischer Bevölkerung (vormals als "Oberungarn" bezeichnet)
3. aus den Gebieten des Königreichs Ungarn mit mehrheitlich ukrainischer (ruthenischer) Bevölkerung.

Als ein erstes Problem der 1. Republik wurde die Staatsgründung samt der Verfassung von einer "revolutionären" Nationalversammlung, die nur aus Vertretern der tschechischen und slowakischen Bevölkerung (als Staatsvolk mit ca. 68 % der Gesamtbevölkerung) bestand, die Minderheitsvölker, die gemäß dem Selbstbestimmungsrecht eigentlich den Anschluß an andere Staate begehrten aber nicht vertreten waren (so die deutschsprachigen Böhmen und Mährer mit 3.5 Mio. und knapp 25 % der Gesamtbevölkerung mit Deutsch-Österreich zu Deutschland). Als weiteres Problem war die faktische Ungleichstellung der Minderheiten, deren verfassungsrechtlich garantierten Rechte durch Regierungsmaßnahmen größtenteils wirkungslos blieben. Auch der Grundrechtsschutz durch das Verfassungsgericht war faktisch durch das ausführende Gesetz über das Verfassungsgericht außer Wirkung gesetzt.

Auch innerhalb des Staatsvolkes bzw. der Staatsvölker der Tschechen und Slowaken gab es dahingehend Probleme, daß die Slowaken eine Autonomie anstrebten, die ihnen die Tschechen vorenthielten. Die verfassungs- und vertragsmäßige Autonomie von Karpatho-Rußland wurde nicht verwirklicht. Erst zum Schluß der 1. Republik 1938/39 wurden diese Autonomien verwirklicht, bevor Tschechien durch Hitler-Deutschland zuerst zerschlagen und dann unterjocht wurde.

Die Verfassung wurde 1938 erstmalig geändert und ist mit der Besetzung durch Deutschland und der Errichtung des "Protektorats Böhmen und Mähren" faktisch außer Wirkung gesetzt, allerdings durch die Exilregierung in London als weitergeltend betrachtet worden, so daß diese Verfassung auch in der Zeit von 1945 bis zum Inkrafttreten der Verfassung vom 9. Mai 1948 formal geltendes Verfassungsrecht war. So war auch der § 134 formal während der Zeit der Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei geltendes Verfassungsrecht.


Quellen: Die Verfassungs- und Wahlgesetze, Reichenberg 1920, Verlag von Gebr. Stiepel Ges.m.b.H.
Sammlung der Gesetze der Cechoslowakei 1920 Nr. 121
Parlament der Tschechischen Republik
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