Verfassungsgesetz
vom 9. April 1920
über den Schutz der Freiheit der Person und des Hauses sowie des Briefgeheimnisses (gemäß den §§ 107, 112 und 116 der Verfassungsurkunde)

(Gesetz Nr. 293/1920)

nachfolgend die ursprüngliche Fassung

Änderungen nicht bekannt.

Die Nationalversammlung der Cechoslovakischen Republik hat das folgende Gesetz beschlossen:

I.
Schutz der Freiheit der Person.

§ 1. Niemand darf verfolgt werden, ausgenommen in den nach dem Gesetze erlaubten Fällen, und zwar nur durch das Gericht oder durch die Behörde, die nach dem Gesetze zuständig sind, und in dem nach dem Gesetze geregelten Verfahren.

§ 2. Außer dem Falle der Ergreifung auf frischer Tat darf niemand ohne schriftlichen begründeten richterlichen Befehl, der bei der Verhaftung und, wenn dies nicht möglich ist, längstens innerhalb 24 Stunden nach derselben zugestellt werden muß, verhaftet werden.

§ 3. Niemand darf durch ein amtliches Organ in Haft genommen werden, außer in den vom Gesetze bestimmten Fällen, in denen er dann längstens binnen 48 Stunden freigelassen oder an diejenige Behörde abgeliefert werden muß, die nach den Umständen des Falles zur Durchführung des weiteren Verfahrens zuständig ist.

§ 4. Außer den durch das Gesetz festgesetzten Fällen darf niemand aus einem bestimmten Orte oder Gebiete ausgewiesen oder dazu verhalten werden, sich aus einem bestimmten Orte oder Gebiete nicht zu entfernen.

§ 5. Unter welchen Bedingungen eine verhaftete oder in Haft befindliche Person gegen Erlag einer Kaution freigelassen, beziehungsweise trotz Erlag der Kaution neuerlich in Haft genommen werden kann, bestimmt das Gesetz.

II.
Schutz der Freiheit des Hauses.

§ 6. Eine Durchsuchung der Wohnung oder sonstiger zum Hauswesen gehöriger oder zum Gewerbebetriebe oder zur Erwerbstätigkeit bestimmter Räumlichkeiten ist nur in in den nach dem Gesetze erlaubten Fällen zulässig, und zwar nur durch das Gericht oder die Behörde, die nach dem Gesetze zuständig sind, und in dem nach dem Gesetze geregelten Verfahren.

§ 7. Eine Hausdurchsuchung ist in der Regel (§ 8) nur auf Grund eines schriftlichen begründeten richterlichen Befehles zulässig, der bei der Durchsuchung, und, wenn dies nicht möglich ist, längstens innerhalb 24 Stunden nach derselben zugestellt werden muß.

§ 8. In welchen Fällen zum Zwecke des gerichtlichen Strafverfahrens eine Hausdurchsuchung auch ohne schriftlichen richterlichen Befehl zulässig ist, bestimmt das Gesetz. In diesem Falle muß jedoch das die Durchsuchung vornehmende Organ seine Berechtigung hiezu ausweisen und der Person, bei der es die Durchsuchung vorgenommen hat, auf ihr Verlangen sogleich oder längstens innerhalb 24 Stunden eine schriftliche Bestätigung über die vorgenommene Durchsuchung, die Gründe ihrer Vornahme und über die bei derselben beschlagnahmten Gegenstände ausstellen.

§ 9. Das Gesetz bestimmt, in welchen Fällen, durch welche Organe und unter welchen Beschränkungen eine Durchsuchung von Wohn- oder gewerblichen Räumlichkeiten (§ 6) zu polizeilichen und Finanzzwecken und zu Zwecken der öffentlichen Verwaltung überhaupt zulässig ist; auch für diese Fälle gilt die Bestimmung des zweiten Satzes des § 8.

§ 10. Über jede Hausdurchsuchung ist sogleich ein Protokoll aufzunehmen, in dem der gesetzliche Grund und der Verdachtsgrund, weshalb die Durchsuchung vorgenommen wurde, sowie ihre Ergebnis anzuführen ist. Wurde nichts Anstößiges gefunden, so ist der Partei sogleich eine schriftliche Bestätigung auszustellen.

III.
Schutz des Briefgeheimnisses.

§ 11. Das Briefgeheimnis ist gewährleistet; Ausnahmen bestimmt das Gesetz.

IV.
Gemeinsame Bestimmungen.

§ 12. Verletzt ein öffentlicher Funktionär, Beamter oder Angestellter in Ausübung seines Amtes oder Dienstes die Bestimmungen dieses Gesetzes über den Schutz der Freiheit der Person oder des Hauses, so ist er zu bestrafen, und zwar, wenn er in böser Absicht gehandelt hat, wegen Verbrechens mit schwerem Kerker von einem bis zu fünf Jahren, bei besonders erschwerenden Umständen bis zu zehn Jahren, sonst wegen Übertretung mit Arrest von einer Woche bis zu sechs Monaten.

Bei einer Verurteilung wegen Verbrechens ist zu erkennen, daß der Schuldige sein Amt verliert.

Jede Verurteilung hat die Verpflichtung zum Ersatze des verursachten Schadens nach den Bestimmungen besonderer Gesetze zur Folge.

§ 13. Nur durch ein Gesetz kann bestimmt werden, welchen Einschränkungen die Bestimmungen der §§ 2 bis 9 und 11 dieses Gesetzes und des § 113 der Verfassungsurkunde während eines Krieges oder dann unterliegen, wenn im Innern des Staates oder an seinen Grenzen Ereignisse eintreten, die in eheblichem Maße die Integrität des Staates, seine republikanische Form, die Verfassung oder die öffentliche Ruhe und Ordnung gefährden.

§ 14. Dieses Gesetz bildet einen Bestandteil der Verfassungsurkunde (§§ 107 und 112 der Verfassungsurkunde).

§ 15. Seine Durchführung wird der Regierung aufgetragen.

T. G. Masaryk
Tusar
Svehla            Klofac
Sonntag
als Finanzminister und Leiter des Ministeriums für Volksverpflegung
Dr. Hodza
Dr. Benes
Hampl
Stanek
Dr. Vesely
Dr. Heidler
Dr. Franke
Dr. Winter
Dr. Srobar
Prasek
Habrman

Die Grundrechte wurden gegenüber dem bisher in den Böhmischen Ländern geltenden Rechten des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867, R.G.Bl. Nr. 142 eingeschränkt.


Quellen: Die Verfassungs- und Wahlgesetze, Reichenberg 1920, Verlag von Gebr. Stiepel Ges.m.b.H.
dt. Ausgabe der Sammlung der Gesetze und Verordnungen der Cechoslovakischen Republik Jg. 1920 Nr. 293
© 17. Januar  2003
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