(Gesetz Nr. 236/1920)
nachfolgend die ursprüngliche Fassung
Änderungen nicht bekannt.
Die Nationalversammlung der Cechoslovakischen Republik hat das folgende Gesetz beschlossen:
Staatsbürgerschaft.
I.
Wer cechoslovakischer Staatsbürger ist.
§ 1. Cechoslovakische Staatsbürger sind:
1. Vom 28. Oktober 1918 an Personen, die spätestens am 1. Jänner
1910 in dem jetzt der Cechoslovakischen Republik gehörenden Gebiete
der vormaligen Österreichisch-ungarischen Monarchie das Heimatrecht
erworben haben und seit dieser Zeit ununterbrochen besitzen.
2. Die ehemaligen Staatsbürger des Deutschen Reiches, die ihren
ordentlichen Wohnsitz in den Gebieten haben, die früher zum Deutschen
Reiche gehörten und die von diesen der Cechoslovakischen Republik
zufallen.
3. Die ehemaligen deutschen, österreichischen und ungarischen
Staatsbürger, welche im gebiete der Cechoslovakischen Republik als
Kinder von in diesem Gebiete ihren ordentlichen Wohnsitz habenden deutschen
Staatsbürgern oder von dort das Heimatrecht besitzenden österreichischen
oder ungarischen Staatsbürgern geboren waren, auch wenn die betreffenden
Personen selbst im Zeitpunkte des Inkrafttretens dieses Gesetzes den Wohnsitz
oder das Heimatrecht in der Cechoslovakischen Republik nicht besitzen.
4. Vom 28. Oktober 1918 an jene, die vor diesem Tage das Heimatrecht
einer Gemeinde der vormaligen Österreichisch-ungarischen Monarchie
außerhalb des Gebietes der Cechoslovakischen Republik besaßen
und wirkliche Beamte oder Angestellte des Cechoslovakischen Staates oder
einer cechoslovakischen staatlichen Anstalt oder Unternehmung geworden
sind.
§ 2. Von Personen, die im Gebiete der Cechoslovakischen Republik geboren wurden oder geboren werden, wird angenommen, daß sie cechoslovakische Staatsbürgern sind, wenn nicht erwiesen ist, daß sie durch die Geburt eine andere Staatsbürgerschaft erlangt haben.
II.
Erwerb und Verlust der cechoslovakischen Staatsbürgerschaft.
§ 3. Die bisherigen Bestimmungen über den Erwerb und Verlust der Staatsbürgerschaft bleiben, soweit sie nicht durch dieses Gesetz abgeändert werden, weiterhin in Geltung.
§ 4. Eine andere Staatsbürgerschaft, als ihnen nach
den Bestimmungen des Abschn. I. dieses Gesetzes zukommt, können sich
wählen (optieren):
1. Die im § 1 Abs. 1 angeführten Staatsbürger, sofern
sie unmittelbar, bevor sie Angehörige einer Gemeinde in dem im §
1, Abs. 1, angeführten Gebiete geworden sind, das Heimatrecht in einem
anderen außerhalb des Bereiches der Cechoslovakischen REpublik gelegenen
Teile der vormaligen Österreichisch-ungarischen Monarchie besaßen.
2. Ausländer, die das Heimatrecht in dem im § 1, Abs. 1,
angeführten Gebiete besaßen und, nachdem sie hierauf unmittelbar
das Heimatsrecht in einer anderen, außerhalb des Bereiches der Cechoslovakischen
Republik und des gegenwärtigen Österreichischen und Ungarischen
Staates gelegenen Gemeinde der vormaligen Österreichisch-ungarischen
Monarchie erworben hatten, Staatsbürger des Staates geworden sind,
in dessen Grenzen die gegenwärtige Heimatgemeinde liegt.
Die Option ist in der Fallfrist eines Jahres möglich, und zwar
im Falle 1 zugunsten des Staates, in dessen Gebiete die ehemalige Heimatsgemeinde
liegt, und im Falle 2 zugunsten der Cechoslovakischen Republik.
3. Staatsbürger, die nach Sprache und Rasse keine Cechoslovaken
sind.
4. Ausländer, die nach Sprache und Rasse Cechoslovaken sind und
nur deshalb, weil sie in einer, außerhalb des Gebietes der Cechoslovakischen
Republik gelegenen Gemeinde der vormaligen Österreichisch-ungarischen
Monarchie heimatszuständig waren, die Staatsbürgerschaft in Italien,
Polen, Österreich, Rumänien, im Serbisch-kroatisch-slovenischen
Staate oder in Ungarn erworben haben.
Die Option ist in der Fallfrist von 6 Monaten möglich, und zwar
im Falle Z. 3 zugunsten Italiens, Polens, Oesterreichs, Rumäniens,
des Serbisch-kroatisch-slovenischen Staates oder Ungarn, wenn in dem betreffenden
Staate die Mehrheit der Bevölkerung die Sprache des Optierenden spricht
oder seiner Rasse angehört, im Falle 4 zugunsten der Cechoslovakischen
Republik.
Für Angehörige von gemeinden, in denen ein Plebiszit stattfinden
wird, beginnt die Frist erst mit dem Tage, an dem über die staatliche
Zugehörigkeit ihrer Gemeinde entschieden sein wird.
5. Die im § 1, Abs. 2, bezeichneten Staatsbürger.
6. Deutsche Staatsbürger cechoslovakischer Nationalität,
die ihren ordentlichen Wohnsitz außerhalb des Deutschen Reiches und
außerhalb der Cechoslovakischen Republik haben, steht ihnen das Optionsrecht
nur dann zu, wenn es den Gesetzen des Staates, in dem sie leben, nicht
widerspricht und wenn sie in demselben die Staatsbürgerschaft bisher
nicht erworben haben.
Die Option ist in der Fallfrist von 2 Jahren möglich, und zwar
im Falle 5 für die deutsche Staatsbürgerschaft, im Falle 6 zugunsten
der Cechoslovakischen Republik.
7. Die im § 1, Abs. 3, angeführten Staatsbürger.
Diese Personen können in der Fallfrist von 2 Jahren vor den zuständigen
cechoslovakischen Behörden ihres Wohnsitzes erklären, daß
sie auf ihre Staatsbürgerschaft zugunsten jenes Staates verzichten,
dessen Staatsbürger sie unmittelbar vorher waren, oder der die Souveränität
über das Gebiet, in dem die betreffende Gemeinde liegt, ausübt.
§ 5. Das Optionsrecht (§ 4) wird von über 18 Jahre alten Personen selbständig ausgeübt. Auf eine verheiratete Frau, deren Ehe gerichtlich weder getrennt noch für ungültig erklärt wurde, erstreckt sich die Option des Ehegatten.
Auf eheliche Kinder, bis zu 18 Jahren erstreckt sich die Option des Vaters oder, falls kein Vater vorhanden ist, die der Mutter,.
Auf uneheliche Kinder bis zu 18 Jahren erstreckt sich die Option der unverehelichten Mutter. Sind keine Eltern vorhanden, oder ist die uneheliche Mutter mit einem Manne verheiratet, der nicht der Vater des Kindes ist, so optiert namens des Kindes der gesetzliche Vertreter.
Für die Beurteilung der in den vorstehenden Absätzen angeführten Erfordernisse der Option ist der Tag, an dem die Option ausgeübt wird, entscheidend. Die sei es selbständig, sei es durch die Eltern, den Ehegatten oder den gesetzlichen Vertreter ausgeübte Option kann nicht widerrufen werden.
Die näheren Bestimmungen über die Ausübung der Option werden von der Regierung durch Verordnung erlassen.
§ 6. Mit dem Tage der ordnungsmäßig ausgeübten Option tritt die Änderung in der Staatsbürgerschaft der betreffenden Person ein.
§ 7. Personen, die nach der Option für die Cechoslovakische Republik in der Fallfrist von 12 Monaten vom Optionstage an ihren ordentlichen Wohnsitz in deren Gebiet verlegen, werden keiner Einfuhrabgabe für ihr bewegliches Vermögen, das sie innerhalb dieser Frist in das erwähnte Gebiet mitbringen, unterworfen.
§ 8. Personen, die für eine fremde Staatsbürgerschaft optiert hat, sind verpflichtet, in der Fallfrist von 12 Monaten vom Optionstage an ihren Wohnsitz in den STaat, den sie gewählt haben, zu verlegen. Es steht ihnen aber frei, das Eigentum an ihren hierländischen Liegenschaften nach den für die cechoslovakischen Bürger geltenden Bestimmungen zu behalten und in der angeführten Fallfrist ihr bewegliches Vermögen ohne jede Ausfuhrabgabe mit sich wegzuführen.
§ 9. Für Personen, die das im § 1, Abs. 1, angeführte Heimatrecht erst nach dem ersten Jänner 1910 erworben haben und vorher in einer, im Gebiete der vormaligen Österreichisch-ungarischen Monarchie außerhalb des Gebietes der jetzigen Cechoslovakischen Republik gelegenen Gemeinde heimatberechtigt waren, bestimmt die Regierung durch Verordnung die Fallfrist, innerhalb welcher sie ein Gesuch um Zuerkennung der cechoslovakischen Staatsbürgerschaft einbringen können. Bis zur Entscheidung hierüber, beziehungsweise bis zum Ablaufe der Frist werden sie als Staatsbürger der Cechoslovakischen Republik betrachtet.
wurde zumeist als mit der Minderheitenschutzkonvention unvereinbar bezeichnet.
§ 10. Personen, die erst nach dem ersten Jänner 1910 das Heimatrecht in jenem Gebiete des vormaligen Österreichisch-ungarischen Reiches erworben haben, das gegenwärtig zum Serbisch-kroatisch-slovenischen Staate gehört und die unmittelbar vorher das Heimatrecht in einer Gemeinde besaßen, welche in dem im § 1, Abs. 1, angeführten Gebiete gelegen ist, erwerben die cechoslovakische Staatsbürgerschaft, wenn sie sich nicht um die Serbisch-kroatisch-slovenische Staatsbürgerschaft in der von der Serbisch-kroatisch-slovenischen Regierung festgesetzten Frist bewerben, oder wenn ihnen die angesuchte Serbisch-kroatisch-slovenische Staatsbürgerschaft verweigert wird. Die cechoslovakische Staatsbürgerschaft erwerben die erwähnten Personen an dem Tage, an dem die im vorstehenden Absatze angeführte Frist abläuft, oder an dem Tage, an dem ihnen die abweisende Erledigung ihres Gesuches zugestellt wird.
§ 11. Personen, die
a) in einer Gemeinde heimatberechtigt sind, welche in dem durch den
Friedensvertrage an Italien abgetretenen Gebiete des vormaligen Österreichisch-ungarischen
Reiches liegen, die jedoch dort nicht geboren sind, oder
b) die in einer, unter litera a) angeführten Gemeinde das Heimatrecht
bloß aufgrund ihrer amtlichen Stellung oder erst nach dem 24. Mai
1915 erworben haben,
werden ohne weiteres Staatsbürger der Cechoslovakischen Republik,
falls sie unmittelbar vor der Erwerbung des Heimatrechtes in dem unter
litera a) angeführten Gebiete in einer im Gebiete der Cechoslovakischen
Republik gelegenen Gemeinde heimatsberechtigt waren, wenn sie nicht in
der Fallfrist eines Jahres bei den zuständigen italienischen Behörden
ein Gesuch um Zuerkennung der italienischen Staatsbürgerschaft einbringen
oder das Gesuch zwar rechtzeitig einbringen, dasselbe aber abgewiesen wird.
§ 12. Cechoslovakische Staatsbürger, die
a) früher in einer, im § 11, lit. a), angeführten Gemeinde
heimatsberechtigt waren, oder deren Vater, beziehungsweise, falls der Vater
nicht bekannt ist, deren Mutter in einer dortigen Gemeinde zuständig
war, oder die
b) während des jetzigen Krieges in der italienischen Armee gedient
haben, oder deren Nachkommen,
hören auf, cechoslovakische Staatsbürger zu sein, wenn sie
innerhalb eines Jahres bei den zuständigen italienischen Behörden
ein Gesuch um Zuerkennung der italienischen Staatsbürgerschaft einbringen
und ihrem Gesuche stattgegeben wird.
Heimatrecht
§ 13. Die bisherigen Bestimmungen über den Erwerb und Verlust des Heimatrechtes bleiben, soweit sie nicht durch dieses Gesetz abgeändert werden, in Geltung.
Für die Verpflichtung der Gemeinde zur Aufnahme in den Gemeindeverband gelten jedoch im vormals ungarischen Gebiete die Bestimmungen des Gesetzes vom 5. Dezember 1896, R.G.Bl. Nr. 222.
§ 14. Sofern eine Person, die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes cechoslovakischer Staatsbürger geworden ist, oder es wird, im Gebiete der Cechoslovakischen Republik keine Heimatsgemeinde besitzt, erwirbt sie das Heimatrecht in der Gemeinde, die zuletzt ihre Heimatsgemeinde oder die Heimatsgemeinde ihres ehelichen Vaters oder ihrer unehelichen Mutter war; ist keine solche Gemeinde vorhanden, dann in jener Gemeinde, in der sie oder ihre eben angeführten Vorfahren geboren wurden.
Läßt sich nicht einmal auf diese Weise ihre Heimatsgemeinde bestimmen, so steht ihr das Heimatrecht in der Gemeinde zu, wo sie sich nach ihrer Rückkehr aus dem Auslande als in ihrem ordentlichen Wohnsitze zuerst niederläßt.
§ 15. Die im § 1, Abs. 4, angeführten Personen haben das Heimatrecht in der Gemeinde, in der ihnen der ständige Amtssitz oder Dienstort angewiesen ist. Befindet sich dieser Ort außerhalb des Gebietes der Cechoslovakischen Republik, so erwirbt die betreffende Person das Heimatrecht in Prag.
Allgemeine Bestimmungen
§ 16. Ehegattinnen folgen ihrem Manne und Kinder bis zu 18 Jahren ihren Eltern gemäß § 5 dieses Gesetzes in allen Fällen, auf die sich dieses Gesetz bezieht. Diese Bestimmung findet jedoch auf die Fälle des § 1, Z. 4, und § 15 keine Anwendung.
§ 17. Mitglieder des Geschlechtes Habsburg-Lothringen können die Staatsbürgerschaft und das Heimatrecht im Gebiete der Cechoslovakischen Republik nicht erwerben.
Ihre frühere Staatsbürgerschaft und ihr früheres Heimatrecht in dieser Republik erlischt.
Kein Einreiseverbot aber ein absolutes Niederlassungsverbot für die Mitglieder der früher herrschenden Familie in Österreich-Ungarn.
§ 18. Die Regierung wird ermächtigt, für das Gebiet, das nach dem Friedensvertrage mit Deutschland der Cechoslovakischen Republik zugefallen ist, die staatsbürgerlichen und heimatrechtlichen Verhältnisse für die Zeit bis zu einer allgemeinen gesetzlichen Neuregelung durch Verordnung zu regeln.
das "Hultschiner Ländchen" in Schlesien ist gemeint
§ 19. Die Regierung wird ermächtigt, sich behufs Durchführung dieses Gesetzes über die Einzelheiten mit den Regierungen der betreffenden Staaten ins Einvernehmen zu setzen.
§ 20. Dieses Gesetz tritt bezüglich des Verhältnisses zu den aus dem Gebiete des vormaligen Österreichisch-ungarischen Reiches gebildeten Staaten mit dem Tage, an welchem der mit Österreich am 10. September 1919 zu St. Germain en Laye geschlossene Friedensvertrag in Kraft tritt, bezüglich des Verhältnisses zum Deutschen Reiche aber an dem Tage in Wirksamkeit, an welchem der mit dem Deutschen Reiche am 28. Juni 1919 zu Versailles geschlossene Friedensvertrag in Kraft tritt.
Mit diesen Tagen beginnt insbesondere die Fristen, für welche dieses Gesetz keinen anderen Anfangstag festsetzt.
Die eben angeführten Tage werden mittels einer in der Sammlung der Gesetze und Verordnungen veröffentlichten Regierungskundmachung bekannt gegeben werden.
in Kraft getreten am 10. Januar 1920 in Bezug auf Deutschland bzw. 16. Juli 1920 in Bezug auf Österreich; kundgemacht am 21. April 1920..
§ 21. Mit der Durchführung dieses Gesetzes wird der Minister des Innern betraut.
T.G. Masaryk
Tusar
Svehla