Gesetz
vom 29. Februar 1920
über die Zusammensetzung und den Wirkungskreis des Senates

(Gesetz Nr. 124/1920)

wiedergegeben ist die ursprüngliche Fassung

geändert durch
Gesetz vom 15. Oktober 1925 (Nr. 206/1925)
Gesetz vom 11. April 1935 (Nr. 59/1935) ?

faktisch aufgehoben durch
Verfassungsdekret des Präsidenten der Republik vom 25. August 1945 (Dekret Nr. 47/1945) über die vorläufige Nationalversammlung und
Verfassungsgesetz vom 11. April 1946 (Gesetz Nr. 65/1946) über die verfassunggebende Nationalversammlung
(beide Gesetze haben nur eine Kammer für die Nationalversammlung vorgeschrieben)

Die Nationalversammlung der Tschechoslowakischen Republik hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel I.

Zusammensetzung des Senates.

§ 1. Der Senat der Tschechoslowakischen Republik besteht aus 150 gewählten Mitgliedern. Niemand kann gleichzeitig Mitglied des Abgeordnetenhauses und des Senates sein.

Finden die Wahlen in beide Häuser spätestens 4 Wochen nacheinander statt, so darf niemand in beide Häuser kandidieren. Die trotz dieser Bestimmung erfolgte Wahl eines Kandidaten ist ungültig.

Wird außer dem eben angeführten Falle jemand, der bereits Mitglied des Abgeordnetenhauses ist, zum Senator, oder umgekehrt, jemand der bereits Mitglied des Senates ist, in das Abgeordnetenhaus gewählt, so behält er das Mandat in jenem Hause, zu dessen Mitglied er später gewählt wurde.

§ 2. Für die Wahl in den Senat gelten die Bestimmungen der Wahlordnung für das Abgeordnetenhaus, sofern dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.

§ 3. Das Wahlrecht für den Senat steht jedem zu, der das Wahlrecht für das Abgeordnetenhaus besitzt, sofern er am Tage der Auflegung der ständigen Wählerverzeichnisse (Gesetz vom 19. Dezember, S.d.G.u.V. Nr. 663) das 26. Lebensjahr überschritten hat.

§ 4. Zu Mitgliedern des Senates können Staatsbürger der Tschechoslowakischen Republik ohne Unterschied des Geschlechtes gewählt werden, die am Tage der Wahl das 45. Lebensjahr erreicht haben, wenigstens 10 Jahre Staatsbürger der Tschechoslowakischen Republik sind und vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen sind.

Für die Wahlen, die bis Ende 1928 durchgeführt werden, gilt die Bedingung der zehnjährigen Staatsbürgerschaft nicht.

§ 5. Die Wahlperiode dauert acht Jahre.

§ 6. Finden die Wahlen für den Senat spätestens 4 Wochen nach dem Tage statt, an welchem die Wahlen für das Abgeordnetenhaus stattgefunden haben, so sind die Distriktswahlkommissionen und die Zentralwahlkommission, welche die Wahlen für dieses Haus durchgeführt haben, auch zur Durchführung der Wahlen für den Senat berufen. Als Mitglieder dieser Kommissionen dürfen aber nicht Vertreter solcher Parteien fungieren, die für die Wahlen in den Senat keine gültigen Kandidatenlisten angemeldet haben, vielmehr sind diese Kommissionen durch Vertreter jener Parteien zu ergänzen, die für das Abgeordnetenhaus nicht kandidiert, aber für die Wahlen in den Senat gültige Kandidatenlisten angemeldet haben; hiebei sind die Vorschriften der §§ 9 und 11 der Wahlordnung für das Abgeordnetenhaus anzuwenden.

Ausgenommen den Fall des 1. Absatzes sind die Distriktswahlkommissionen und die Zentralwahlkommission neu zu konstituieren.

§ 7. In jedem Wahlkreis für die Senatswahlen wird eine Kreiswahlkommission gebildet, für welche sinngemäß die Bestimmungen der Wahlordnung für das Abgeordnetenhaus, betreffend die Kreiswahlkommission, gelten.

Der Kreiswahlkommission für die Senatswahlen steht hinsichtlich der Senatswahlen derselbe Wirkungskreis zu, den die gemäß § 10 der Wahlordnung für das Abgeordnetenhaus eingesetzte Kreiswahlkommission hinsichtlich der Wahlen für dieses Haus besitzt.

§ 8. Mitglieder der Kommissionen, welche die Wahlen in den Senat durchführen, können im Falle des § 6 Absatz 1 auch solche Personen sein, die das Wahlrecht für den Senat nicht besitzen.

§ 9. Die Wahlkreise für den Senat besteht aus den Wahlkreisen des Abgeordnetenhauses, und zwar:
    Der I. Wahlkreis besteht aus dem ersten Wahlkreis mit dem Sitze der Kreiswahlkommission in Prag; er wählt 23 Senatoren;
    Der II. Wahlkreis besteht aus dem zweiten und dritten Wahlkreis mit dem Sitze der Kreiswahlkommission in Königgrätz; er wählt 11 Senatoren;
    Der III. Wahlkreis besteht aus dem vierten und fünften Wahlkreis mit dem Sitz der Kreiswahlkommission in Jungbunzlau; er wählt 15 Senatoren;
    Der IV. Wahlkreis besteht aus dem sechsten und siebenten Wahlkreis mit dem Sitze der Kreiswahlkommission in Laun; er wählt 14 Senatoren;
    Der V. Wahlkreis besteht aus dem achten und neunten Wahlkreis mit dem Sitze der Kreiswahlkommission in Pilsen; er wählt 15 Senatoren;
    Der VI. Wahlkreis besteht aus dem zehnten, elften und dreizehnten Wahlkreis mit dem Sitze der Kreiswahlkommission in Brünn; er wählt 17 Senatoren;
    Der VII. Wahlkreis besteht aus dem zwölften und vierzehnten Wahlkreis mit dem Sitze der Kreiswahlkommission in Märisch-Ostrau; er wählt 16 Senatoren;
    Der VIII. Wahlkreis besteht aus dem fünfzehnten und siebzehnten Wahlkreis mit dem Sitz der Kreiswahlkommission in Turcansky Sv. Martin; er wählt 10 Senatoren;
    Der IX. Wahlkreis besteht aus dem achtzehnten und neunzehnten Wahlkreis mit dem Sitze der Wahlkreiskommission in Sv. Mikulas; er wählt 7 Senatoren;
    Der X. Wahlkreis besteht aus dem einundzwanzigsten Wahlkreis mit dem Sitze der Kreiswahlkommission in Presov; er wählt 5 Senatoren;
    Der XI. Wahlkreis besteht aus dem sechzehnten und zwanzigsten Wahlkreis mit dem Sitze der Wahlkreiskommission in Nove Zamky; er wählt 9 Senatoren;
    Der XII. Wahlkreis besteht aus dem zweiundzwanzigsten Wahlkreis mit dem Sitze der Wahlkreiskommission in Teschen; er wählt 4 Senatoren;
    Der XIII. Wahlkreis besteht aus dem Gebiete der Podkarpatska Rus mit dem Sitze der Kreiswahlkommission in Uzhorod; er wählt 4 Senatoren.

Die Wahlkreise I. bis VII. und XII. lagen in den böhmischen Ländern (Tschechien); die Wahlkreise VIII. bis XI. lagen in der Slowakei und der XIII. Wahlkreis lag in der Karpatho-Ukraine.

§ 10. Wurde der Senat vom Präsidenten der Republik aufgelöst oder läuft seine Wahlperiode ab, so werden die Neuwahlen vom Ministerium des Innern derart ausgeschrieben, daß sie binnen 60 Tagen durchgeführt werden.

§ 11. Den gewählten Senatoren wird vom Minister des Innern ein Beglaubigungsschein ausgestellt, der den Gewählten zum Eintritt in den Senat und zur Beteiligung an den Verhandlungen desselben berechtigt. Diese Berechtigung erlischt, wenn seine Wahl vom Wahlgericht als ungültig erklärt wurde.

§ 12. Der Senat wählt in der ersten Sitzung, die vom Vorsitzenden der Regierung eröffnet und von dem an Jahren ältesten Senator geleitet wird, aus seiner Mitte einen Präsidenten und zwei Vizepräsidenten.

Die Verhandlungen des Senates werden im Rahmen des Gesetzes über die Geschäftsordnung durch die Geschäftsordnung geregelt, welche der Senat beschließt. Solange sie nicht beschlossen ist, gilt auch für den Senat die von der bisherigen Nationalversammlung beschlossene Geschäftsordnung.

§ 13. Die Senatoren leisten in der ersten Sitzung vor der Wahl des Präsidiums in die Hände des Vorsitzenden der Regierung die Angelobung gemäß § 22 der Verfassungsurkunde. Eine Verweigerung der Angelobung oder eine Angelobung mit Vorbehalt hat ohne weiteres den Verlust des Mandates zur Folge (§ 22 der Verfassungsurkunde).

Dasselbe gilt von später in den Senat eintretenden Senatoren; sie leisten die Angelobung in die Hände des Präsidenten des Senates.

§ 14. Die Senatoren haben Anspruch auf eine Entschädigung, deren Höhe durch ein Gesetz bestimmt wird.

Wirkungskreis des Senates

§ 15. Der Senat ist zur Mitwirkung bei der Ausübung der gesetzgebenden Gewalt nach den Bestimmungen der Verfassungsurkunde berufen.

§ 16. Dem Senat steht das Recht zu, über Anklage des Abgeordnetenhauses Gericht zu halten:
1. über den Präsidenten der Republik wegen Hochverrates (§ 67 der Verfassungsurkunde),
2. über die Mitglieder der Regierung wegen Verletzung der Verfassungs- und anderer Gesetze (§ 79 der Verfassungsurkunde).

Artikel II. Die ersten Wahlen in den Senat der Tschechoslowakischen Republik werden mit Ausschluß des zwölften und dreizehnten Wahlkreises sowie mit Ausschluß des Bezirkes Hultschin im siebenten Wahlkreis, des Gebietes von Weitra im fünften Wahlkreis, des Gebietes von Feldsberg im sechsten Wahlkreis und mit Ausschluß des Plebiszitgebietes von Spis (Zips) und Orava durchgeführt.

Das zweite und dritte Skrutinium wird bei diesen ersten Wahlen ohne Rücksicht auf die Wahlen in diesen Gebieten vorgenommen.

Die von den ersten Wahlen ausgeschlossenen Gebiete wählen ihre Senatoren für die erste Wahlperiode nachträglich auf die im Verordnungswege festzusetzende Weise.

Die Regierung trifft Verfügungen für die Wahl der Legionäre und weist allfällige überschüssige Mandate endgültig einem Wahlkreise zu.

die aufgeführten Gebiete im einzelnen:
der Bezirk Hultschin wurde von Deutschland an die Tschechoslowakei abgetreten;
das Gebiet von Weitra und das Gebiet von Feldsberg wurde vom österreichischen Kronland Österreich unter der Enns (Niederösterreich) weggenommen;
das Plebiszitgebiet, das bisher ungarisch war und mit der Slowakei zur Tschechoslowakei kam, wurde 1920 polnisch

Artikel III. Dieses Gesetz tritt gleichzeitig mit dem Gesetze betreffend die Einführung der Verfassungsurkunde, in Wirksamkeit.

Seine Durchführung steht dem Minister des Innern zu.

in Kraft getreten am 6. März 1920.


Quellen: Die Verfassungs- und Wahlgesetze, Reichenberg 1920, Verlag von Gebr. Stiepel Ges.m.b.H.
Jahrbuch des öffentlichen Rechts Band XVII (1929), Verlag Mohr, Tübingen
dt. Ausgabe der Sammlung der Gesetze und Verordnungen der Cechoslovakischen Republik Jg. 1920 Nr. 124
© 30. Dezember 2002
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