Verfassungsgesetz
über den Staatlichen Verteidigungsrat

vom 31. Januar 1969

(Verfassungsgesetz Nr. 10/1969)

Änderungen unbekannt

Spätestens durch den Zerfall der Tschechoslowakischen Föderativen Republik in die beiden Bundesstaaten Tschechien und Slowakei
mit Wirkung vom 31. Dezember 1992 wirkungslos geworden.

Die Bundesversammlung der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik hat das folgende Verfassungsgesetz beschlossen:

§ 1. (1) Der Aufbau der Streitkräfte und ihre Leitung ist eine der Hauptaufgaben, die in den Wirkungsbereich der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik fallen.

(2) Die Gewährleistung der Verteidigungsfähigkeit des Landes im Frieden und während eines Krieges in der Volkswirtschaft und in den übrigen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens sowie die Vorbereitung der Bürger auf die Verteidigung obliegt der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik in Zusammenarbeit mit der Tschechischen Sozialistischen Republik und der Slowakischen Sozialistischen Republik.

§ 2. Es wird ein Staatlicher Verteidigungsrat errichtet.

§ 3. (1) Der Staatliche Verteidigungsrat legt die Hauptrichtlinie für die Vorbereitung und Organisation der Verteidigung der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik fest und trifft die damit verbundenen Maßnahmen. Zu diesem Zweck
a) bestimmt er das Grundkonzept für den Aufbau des Wehrsystems der CSSR und innerhalb dieses insbesondere den Aufbau der Streitkräfte;
b) genehmigt er die grundlegenden Maßnahmen der Zivilverteidigung sowie der Vorbereitung der Staatsorgane und der Wirtschaft in der CSSR für den Kriegsfall;
c) schlägt der Regierung nach Beratung mit den zuständigen Zentralorganen die Grundproportionen für die wirtschaftliche Sicherstellung des Aufbaus des Wehrsystems der CSSR vor und achtet dabei auf die wirtschaftliche und zweckmäßige Verwendung der Mittel für die Verteidigung;
d) genehmigt er die Grundzüge des Operationsplans für die Verteidigung der CSSR;
e) schlägt er den zuständigen verfassungsmäßigen Organen die im Kriegsfall zur Leitung des Staates erforderlichen Maßnahmen vor;
f) zieht er Schlüsse aus der militärisch-politischen Beurteilung der internationalen Beziehungen und schlägt auf dieser Grundlage den zuständigen verfassungsmäßigen Organen völkerrechtliche Absicherungen im Interesse der Verteidigung der CSSR und gegebenenfalls andere, aus den völkerrechtlichen Verpflichtungen der CSSR sich ergebende Maßnahmen vor;
g) trifft er im Falle einer Bedrohung der CSSR durch einen äußeren Feind Maßnahmen zur ERhöhung der staatlichen Verteidigungsbereitschaft, und zwar noch vor Verkündung der Kriegszustandes oder einer Kriegserklärung;
h) entscheidet er während des Krieges über die mit der Kriegführung verbundenen Maßnahmen.

(2) Zur Durchführung seiner Entscheidungen nach Absatz 1 ist der Staatliche Verteidigungsrat berechtigt, den Bundesministerien, den Bundesausschüssen und den übrigen zentralen Bundesorganen der Staatsverwaltung und den Verteidigungsräten der Republiken verbindliche Aufgaben zu übertragen.

(3) Der Staatliche Verteidigungsrat
a) erstattet der Bundesversammlung Bericht über die Vorbereitung und den Stand der Verteidigung der CSSR und über die von ihm veranlaßten bedeutenderen Maßnahmen und empfiehlt ihr Maßnahmen, die er für notwendig und zweckmäßig hält;
b) kann von den zuständigen Staatsorganen Berichte und Vorschläge über die Vorbereitung und Organisation der Verteidigung der CSSR anfordern.

§ 4. (1) Im Falle eines plötzlichen Überfalls auf die CSSR durch einen äußeren Feind, durch den eine Zeitlang die Tätigkeit des Präsidiums der Bundesversammlung oder der Regierung der CSSR unmöglich gemacht wird, trifft der Staatliche Verteidigungsrat die unentbehrlichen und unaufschiebbaren Maßnahmen zur Verteidigung, für die andernfalls diese Organe zuständig wären. Der Staatliche Verteidigungsrat bestimmt gleichzeitig die Art ihrer Verlautbarung.

(2) Wenn die Bundesversammlung, ihr Präsidium oder die Regierung der CSSR nicht in ihrer nächsten Sitzung den nach den Bestimmungen des Abs. 1 erlassenen Maßnahmen des Staatlichen Verteidigungsrates ihre Zustimmung erteilt, verliert eine solche Maßnahme ihre weitere Geltung.

§ 5. (1) Der Staatliche Verteidigungsrat besteht aus dem Vorsitzenden, dem Stellvertretenden Vorsitzenden und weiteren 4 bis 8 Mitgliedern.

(2) Der Vorsitzende, der Stellvertretende Vorsitzende und die übrigen Mitglieder des Staatlichen Verteidigungsrates werden vom Präsidenten der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik ernannt und abberufen.

(3) Der Präsident der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik beruft den Vorsitzenden, den Stellvertretenden Vorsitzenden und die übrigen Mitglieder des Staatlichen Verteidigungsrates ab, wenn dies eine der beiden Kammern der Bundesversammlung vorschlägt; für die Abstimmung über diesen Vorschlag gelten die Bestimmungen des Art. 43 Abs. 2 und 3 des Verfassungsgesetzes über die Tschechoslowakische Föderation sinngemäß.

§ 6. Der Staatliche Verteidigungsrat und seine Mitglieder sind für die Ausübung ihrer Funktion der Bundesversammlung verantwortlich.

§ 7. (1) Der Vorsitzende des Staatlichen Verteidigungsrates leitet die Tätigkeit des Staatlichen Verteidigungsrates. Er ist berechtigt, an den Sitzungen der Regierung teilzunehmen und seine Auffassung zu den behandelten Entwürfen vom Standpunkt der Staatsverteidigung zu äußern.

(2) Sekretär des Staatlichen Verteidigungsrates ist der Chef des Generalstabs und die Funktion des Sekretariats wird vom Generalstab des Ministeriums für Nationalverteidigung ausgeübt.

§ 8. Der Präsident der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik als Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist berechtigt, die Einberufung des Staatlichen Verteidigungsrates zu verlangen, an seinen Sitzungen teilzunehmen und in ihnen den Vorsitz zu führen. Er ist ferner berechtigt, dem Staatlichen Verteidigungsrat geeignete Maßnahmen zur Verteidigung der CSSR vorzuschlagen, vom Vorsitzenden des Staatlichen Verteidigungsrates und seinen einzelnen Mitgliedern Berichte anzufordern und mit ihnen darüber zu beraten, welche Aufgaben einer Lösung bedürfen.

§ 9. (1) In der Tschechischen Sozialistischen Republik wird ein Verteidigungsrat der CSR und in der Slowakischen Sozialistischen Republik wird ein Verteidigungsrat der SSR errichtet.

(2) Der Vorsitzende, der Stellvertretende Vorsitzende und die übrigen Mitglieder des Verteidigungsrats einer Republik werden vom Vorsitzenden des Staatlichen Verteidigungsrats ernannt und abberufen.

(3) Der Verteidigungsrat der Tschechischen Sozialistischen Republik und seine Mitglieder sind für die Ausübung ihrer Funktion auch dem Tschechischen Nationalrat verantwortlich. Der Verteidigungsrat der Slowakischen Sozialistischen Republik und seine Mitglieder sind für die Ausübung ihrer Funktion auch dem Slowakischen Nationalrat verantwortlich. Der Vorsitzende des Staatlichen Verteidigungsrats beruft den Vorsitzenden, den Stellvertretenden Vorsitzenden und die Mitglieder des Verteidigungsrats der Republik ab, wenn der zuständige Nationalrat dies vorschlägt.

§ 10. (1) Die Räte der vom Verteidigungsrat der Republik bestimmten Nationalausschüsse errichten einen Verteidigungsrat des Nationalausschusses.

(2) Der Vorsitzende, der Stellvertretende Vorsitzende und die übrigen Mitglieder des Verteidigungsrates des Nationalausschusses werden vom Vorsitzenden des Verteidigungsrats der Republik ernannt und abberufen.

§ 11. Die Zuständigkeit der Bundesorgane, der Verteidigungsräte der Republiken und der Verteidigungsräte der Nationalausschüsse, ferner die Zuständigkeit der übrigen Organe der Republiken und Nationalausschüsse bei der Durchführung und Erfüllung von Verteidigungsaufgaben und die Beziehungen zwischen ihnen werden durch ein Gesetz der Bundesversammlung geregelt. Bei der Genehmigung dieses Gesetzes wird nach Art. 42 Abs. 1 des Verfassungsgesetzes Nr. 143/1968 Sb. über die tschechoslowakische Föderation vorgegangen.

§ 12. (1) Zur Verteidigung der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik und zu ihrer Vorbereitung können die durch Gesetz der Bundesversammlung bestimmten Staatsorgane, wenn es dringend notwendig ist, dem unumgänglich erforderlichen Ausmaß von jedem Mithilfe und Sachmittel beanspruchen und ihm Beschränkungen und Sachleistungen auferlegen.

(2) Die durch Gesetz der Bundesversammlung bestimmten Organisationen sind verpflichtet, Vorbereitungen für ihre Tätigkeit während des Krieges zu treffen und haften für die Erfüllung der Verteidigungsaufgaben im Frieden und im Krieg.

(3) Voraussetzungen und Umfang der in den Absätzen 1 und 2 angeführten Pflichten werden durch ein von der Bundesversammlung erlassenes Gesetze festgelegt.

§ 13. Dieses Gesetz tritt am 1. März 1969 in Kraft.


Quelle: Brunner/Meissner, Verfassungen der kommunistischen Staaten, UTB Schöningh 1979
© 1. Februar 2003
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